Engelbert Dollfuß, Trabrennplatzrede, 11. September 1933 (1. Teil)
Transkript der in der Österreichischen Medieathek publizierten Version der Rede,(1) In: www.mediathek.at/portaltreffer/atom/015C5D1D-222-002CE-00000D00-015B7F64/pool/BWEB/ (Zugriff am 19.6.21)
[„Österreich!“ u. „Heil!“-Rufe aus der Menge] „Liebe Freunde, Österreicher! Wir stehen am Vorabend des Gedächtnisses an ein großes geschichtliches Ereignis unserer Heimat Und ich möchte vorerst Alle die Tausende und Tausende die heute hier her gekommen sind zu dieser Vaterländischen Kundgebung herzlich begrüßen und für dieses Bekenntnis, das Sie damit ablegen, herzlich danken!
Im Zeichen des Stephansdoms, im Zeichen der Türkenbefreiung, werden wir an die Geschichte unserer Heimat erinnert. Und wenn wir unsere Zeit und unsere Aufgabe richtig verstehen wollen, wenn wir die Aufgabe, die die Zeitgeschichte uns Deutschösterreichern stellt, kennen wollen, erfüllen wollen, müssen wir vorerst anknüpfen, rückschauen, auf das, was unser Volk geleistet, und aus der Geschichte lernen, unsere Aufgaben sehen, und damit, mit absoluter Entschlossenheit auch sie zu erfüllen entschlossen sein.
Stephansdom – dass in unserer Heimat, dass in Wien, dessen Grenzen, dessen Stadtmauern damals ungefähr dort waren, wo heute der Ring sich befindet, dass in dieser damals kleinen aber hochbedeutsamen Stadt ein solches Kunstwerk christlich deutscher Kultur ertstehen konnte, das beweist doch, dass schon damals wirklich Kultur in unserem Lande geherrscht hat - und bringt uns mit elementarer Wucht zum Bewusstsein, dass schon vor mehr als einem halben Jahrtausend in unsern deutschen Landen die Vermählung von wirklich echtem kerngesundem Volkstum - und nach oben orientierter Weltanschauung, wirklich erlebtem Christentum - zu einer Hochblüte in unserm Lande geführt hat.
Und die Türkenbefreiung, vor 250 Jahren, haben die Menschen – um den Stephansdom herum, hat der Mann, der vom Stephansturm aus die Verteidigung leitete, wirklich bange Sorgen, bange Sorgen durchgemacht. Tapfer und treu haben die Wiener unter Führung ihres Verteidigers Starhemberg hier in Wien ausgehalten. Und wir freuen uns, und wir freuen uns, dass der Name der Familie in unserem Heimatland erhalten geblieben ist, und wieder einer der Nachkommen heute zu den Erneuerern Österreichs gehört. [Heil! Rufe] …
[In einer Zeit, in der man glaubte] rein im wirtschaftlichen Kampf das Wohl der Menschheit sichern zu können, in einer Zeit, in der man gemeinsam durch Aufklärung, durch Wissen und Wissenschaft allen Problemen des Weltdaseins beikommen zu können [glaubte], in einer Zeit, in der man die Einstellung des Menschen zur Unendlichkeit, seine Religion, höchstens geduldet hat, vielfach nur mehr belächelt hat, eine solche Zeit materialistischer Einstellung, die den Einzelnen nach den damals herrschenden Theorien zur restlosen Ausnützung all seiner Macht, auch all Geldmacht, berechtigten, in der Zeit wurde ein großer Teil des Volkes zurückgedrängt und hat sich mit Recht unterdrückt gefühlt. Und so ist dem Zeitalter des Liberalismus, dem Zeitalter der Willkür und der reinen Macht, ein Zeitalter gefolgt, das seinen Ideen ganz nach, nicht weniger materialistisch war, das ebenso ohne Gott und ohne menschliche Empfindung, einfach rein formalistisch organisatorisch – die Übel dieser damaligen Zeit heilen wollte.
So kam die Epoche des Marxismus, die Epoche des mindestens ebenso brutalen Materialismus - Und in der Zeit, ist die Menschheit, dank der Erfolge, die sie auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik errungen hatte, ist die Menschheit, [ich] möchte fast sagen, hochmütig und größenwahnsinnig geworden. Und als Antwort auf die Zeit, in der man gemeinsam alle Weltprobleme lösen zu können, allen Weltgeheimnissen und allem Sinn nach dem Dasein mit Formeln und logischen Schlüssen bereits nahe gekommen zu sein [glaubte], kam eine der größten Katastrophen, die die Menschheit erlebt hat, der [Erste] Weltkrieg, den wir selbst alle mitgemacht haben. Und nach dem Weltkrieg – ein wirtschaftlicher, und noch viel mehr [ein] geistiger und seelischer Zusammenbruch, wie er seinesgleichen kaum ohne Beispiel dasteht.
In der Zeit wurde auch in Österreich die neue Heimat aufgebaut, aufgebaut entsprechend der geistigen und seelischen und wirtschaftlichen Verfassung dieses Landes – und mühsam ist es den Vertretern der bodenständigen Bevölkerung gelungen, zu verhüten, dass krasser Materialismus, gottloser Marxismus die Alleinherrschaft in unserer Heimat angetreten hat. [vereinzelt „bravo“-Rufe] Aber nicht konnte dadurch verhindert werden, dass diese Geistesrichtung doch durch mehr als ein Jahrzehnt die Entwicklung, die wirtschaftliche und seelische Entwicklung unserer Heimat faktisch bestimmt hat.
Und das Volk hat im guten Empfinden sehr bald gespürt: ‚So geht es ja doch wohl nicht weiter!‘ In einem Lande, das so arm geworden ist, dass schließlich und endlich nur der Sieger bleibt, der am ärgsten hetzt, nur der größte Demagog zum Schluß die Entwicklung des Landes bestimmen kann, in einem Lande, in dem jeder, der augenblicklich Verantwortung getragen hat, den allerärgsten Verdächtigungen und Anschuldigungen ausgesetzt war. Wir brauchen ja nur daran denken, dass einer, und dass der größte Staatsmann und zugleich der idealste Mensch, den wir in Österreich in der Nachkriegszeit gehabt haben, Dr. Seipel, welch unerhörten Verleumdungen und Verhetzungen auch dieser selbstlos reine, große Mann ausgesetzt war.“
[Hier endet die Tonaufnahme der Ansprache von Dollfuß – es folgt auf dem Tonband der Mediathek ein Teil, der offensichtlich der Teil der Trabrennplatzrede war und in den Zeitungen vom 14. Sept. 1933 auch so zitiert wurde, als Tondokument allerdings aus einer nachfolgenden Rundfunkansprache stammt, in der Dollfuß den programmatischen Teil seiner Rede wiederholte.]