Editorial


Abb. 1 "Österreich" (Für Wochenschau auf Foto klicken, dann Seite scrollen bis Beitrag AW 44/66)

 

Klaus Edel

Auf dieser Erde, deren Bewohner sich anschicken den Mond zu erreichen und den Weltraum zu erobern, auf dieser Erde, deren Bewohner ständig irgendwo miteinander Krieg führen, auf dieser Erde, die 1.000 Millionen Kinder hat, von denen aber 750 Millionen nicht ausreichend ernährt werden können, auf dieser Erde, auf der zahlreiche Millionen Menschen jährlich wegen Hungers sterben müssen, auf dieser Erde gibt es ein Land – es ist nur ein kleiner Fleck auf der Weltkarte – das heißt Österreich. Viele Millionen verwechseln Austria mit Australia – und doch hat dieses Österreich Bedeutung für die Welt gehabt und hat sie noch immer.“ (Austria Wochenschau 44/66, Beitrag 1)

Dieses Zitat entstammt der Einleitungssequenz der Austria Wochenschau anlässlich des ersten Nationalfeiertags 1966 (vorher: Tag der Fahne). Darin wurde eine Vielzahl von Österreichbildern präsentiert, die teils noch das „Vaterländische“ betonen – die Heimat, die Schönheit der Landschaft – aber auch die Leistungen der Kulturnation Österreich. Die Besonderheiten dieses „Österreichs“ und der Genese seiner Bilder stehen im Mittelpunkt dieser elften Ausgabe der Publikationsreihe historisch-politische bildung. Die Basis für die hier präsentierten Beiträge und Unterrichtsvorschläge bildeten zwei Projekte, „Das Österreichbild in AV-Medien für den GSKPB-Unterricht und seine Repräsentanz bei AHS-Schülerinnen und Schülern“ und „War of Pictures. Press Photography in Austria 1945–1955“. Gemeinsam ist beiden, dass sie (audio)visuelle Medien – einerseits Wochenschauberichte bzw. TV-Beiträge der Zeit nach 1945, andererseits fotografisches Material zur Besatzungszeit – als Basis für ihre jeweilige Forschungsarbeit auswerteten. Dieser Umstand ermöglichte es das von Repräsentanten der Republik Österreich intendierte Eigenbild zu zeigen und auch die Außenschau der Alliierten auf Österreich anhand fotografischer Quellen der Besatzungsmächte zu belegen.

 

Das Projekt Österreichbild

Ziel des vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank geförderten Projekts „Das Österreichbild in AVMedien für den GSKPB-Unterricht und seine Repräsentanz bei AHS-Schülerinnen und Schülern“ (2014−2017) war es herauszufinden, inwieweit die in der Nachkriegszeit über audiovisuelle Medien in der Schule vermittelten Österreichbilder für die heutige Schuljugend noch wirksam sind bzw. welche sie aktuell prägen. Anhand von 23 Wochenschauberichten sollten die Schülerinnen und Schüler die Filme ungefähr thematisch, zeitlich und räumlich einordnen. Es bestätigte sich die Annahme, dass die Österreichbilder, die in der Frühzeit der Zweiten Republik von Staats wegen entwickelt und medial präsentiert wurden, Jugendlichen des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts nichts oder zumindest nur mehr wenig sagen. (vgl. Ecker & Sperl 2018) 

Die fachwissenschaftlichen Beiträge zum „Österreichbild“

In seinem Artikel analysiert Alois Ecker die zentralen Begriffe Nationalcharakter bzw. Nationalbewusstsein. Er hinterfragt die den Österreicherinnen und Österreichern oft zugeschriebenen Charaktereigenschaften und argumentiert, dass es sich dabei um gesellschaftliche Stereotypen handelt, die auf eine gesamte Nation in identitätsstiftender Absicht projiziert werden. Des Weiteren untersucht er verschiedene sozio-historische Konzepte zum ‚Nationalbewusstsein‘ und zur Erinnerungskultur. Er kontrastiert einen weltoffenen ‚österreichischen Menschen‘ (A. Wildgans – Rede über Österreich) mit einem im Austrofaschismus normierten ‚Österreicher‘ (E. Dollfuß – Trabrennplatzrede), der in der ‚vaterländischen‘ Geschichte seine Wurzeln findet. Solche nationalen Klischees werden lt. Ecker nach 1945 zwar wieder aufgegriffen, auch um sich von den totalitären Herrschaftsansprüchen des NS-Regimes deutlich abzugrenzen, gleichzeitig wird aber von der österreichischen Politik sowie von den Alliierten auf Grundwerte wie Humanität oder Demokratie gesetzt. Alois Ecker schließt seine Ausführungen mit der Anregung, in einer pluralistischen Gesellschaft stereotype Zuschreibungen zu unterlassen und dies auch durch die Wortwahl „Österreich-Bild“ anstelle von „Österreich- Bewusstsein“ zum Ausdruck zu bringen.

Abb. 4 1957 Beflaggung am Tag der Fahne vor dem Parlament

Eva Bruckner erforscht in ihrem Beitrag die Maßnahmen der Schulbehörden, die zur Überwindung von nationalsozialistischem Gedankengut im Zuge der „Heimaterziehung“ und der „politischen Erziehung“ Jugendliche zur Übernahme einer demokratischen Gesinnung und zu einem bewussten Österreichertum führen sollten. Lehrpersonen erhielten genaue Anweisungen, wie schulische Feierlichkeiten, beispielsweise am Tag der Fahne, durchgeführt werden sollten und wie Schüler/innen zur Wertschätzung für Symbole Österreichs wie die Fahne oder die Bundeshymne zu führen waren.

Die Autorin untersucht dazu die gesetzlichen Vorgaben zum Einsatz audiovisueller Medien wie Schulfunk, Schulfilmen, dem Schulfernsehen und Lichtbildserien, die den Schülerinnen und Schülern möglichste viele heimatkundliche Facetten zeigen und sie zur Übernahme eines positiven Österreichbildes anregen sollten.

Die beiden Artikel "Die Wochenschau, eine Quelle zum Österreichbild der Nachkriegszeit" sowie "Die Kino-Wochenschau und die Konstruktion der „österreichischen“ Identität" werden nur in dieser online Version angeboten.

Das Projekt War of Pictures

„War of Pictures. Press Photography in Austria 1945–1955“ ist der Titel eines Projekts des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien zur Pressefotografie in Österreich 1945–1955. Gemeinsam mit dem Fachdidaktikzentrum Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung der Universität Wien (jetzt Didaktik der Geschichte) wurden die Forschungsergebnisse u.a. über die Onlineausstellung „War of Pictures. Bildkultur in Österreich 1945–1955 warofpictures.univie.ac.at (Zugriff 11.Juli 2021) für Schüler/ innen, Studierende und die interessierte Öffentlichkeit aufbereitete.

 

Die fachwissenschaftlichen Beiträge zu „War of Pictures“

Abb. 5 Kalter Krieg 1950 - mit weißer Farbe hingemalter Spruch auf Ufermauer an der unteren Alten Donau (Regattastrecke)

Das erste Jahrzehnt der Zweiten Republik ist bildjournalistisch sehr gut dokumentiert, viele Pressefotos wurden häufig reproduziert und prägten die Wahrnehmung dieser Ära nachhaltig. Diese Pressefotografien dienten sowohl der Selbstinszenierung der Alliierten sowie als Propagandainstrument im Kalten Krieg.

Es entfaltete sich in den österreichischen Illustrierten ein Kampf um die Aufmerksamkeit der Leserschaft, wie Marion Krammer und Margarethe Szeless in ihrem Artikel zur Pictorial Section, dem amerikanischen Bilderdienst ausführen. Nicht nur die Fülle der von amerikanischen Journalisten angebotenen Fotografien ist beeindruckend, sondern auch die „storyline“, die anhand menschlicher Schicksale in diesen Reportagen bereits das umsetzen, was heute Lebensweltbezug genannt wird.

Die beiden Autorinnen thematisieren in ihrem zweiten Artikel anhand der Bildbeilagen der Welt-Illustrierten und des Wiener Kuriers die Frage, ob bzw. wie der Kalte Krieg in den österreichischen Illustrierten visuell ausgefochten wurde. Die Welt-Illustrierte fokussierte, bewusst im Gegensatz zur sogenannten „Marschallisierung“, die den Amerikanern von sowjetischer Seite vorgeworfen wurde, auf die Errungenschaften des Sozialismus, und verstand es kaum, österreichspezifische Themen in den Mittelpunkt ihrer Medienarbeit zu stellen. Die vergleichende Analyse der Bildpolitik der beiden Besatzungsmächte zeigt, dass das Konfliktpotential des Kalten Kriegs kaum verbal oder visuell in den Bilderbeilagen spürbar ist, sich aber in den öffentlichen Raum, z.B. auf Plakatein Schaufenstern verlagert hat.

Ein Text zu „Trümmerfrauen“ ist nur in dieser online Version verfügbar.

Aufbau der Themendossiers

Die Themendossiers werden seit 2010 von interdisziplinär zusammengesetzten Teams (von Historikerinnen/Historikern und Fachdidaktikerinnen/Fachdidaktikern) nach einem einheitlichen didaktischen Konzept entwickelt. Sie sind theorie- und forschungsgeleitet, prozessorientiert, medial unterstützt sowie von der 8. bis zur 13. Schulstufe modular einsetzbar. Sie bieten den Schülerinnen und Schülern vielfältige Möglichkeiten, strukturelles Denken zu entwickeln, darüber zu reflektieren und eigenverantwortlich in neuen Situationen anzuwenden. Angesichts der zugrundeliegenden Medienprojekte liegt der Schwerpunkt in hpb 11 auf Film und Fotografie sowie mediendidaktischen Unterrichtsvorschlägen zur Reflexion der historischen und politischen Dimension dieser Bildwelten.

Die Redaktion hofft, dass das vorliegende elfte Heft der Themendossiers eine sinnvolle Bereicherung für die Planung und Durchführung des historisch-politisch bildenden Unterrichts darstellt. Über Ihre Anregungen und kritischen Ergänzungen freut sich die Redaktion (p.A. hanna-maria.suschnig(at)univie.ac.at)

 

LITERATUR

Austria Wochenschau (44/1966). Österreich begeht den ersten Nationalfeiertag! Online unter http://www.demokratiezentrum.org/wissen/videos.html?index=2328 (Zugriff 1. August 2021)

Ecker, Alois & Sperl, Alexander (Hrsg.) (2018), Österreichbilder von Jugendlichen. Zum Einfluss von audiovisuellen Medien. Wien: new academic press.

Edel, Klaus (2021). Die Wochenschau, eine Quelle zum Österreichbild der Nachkriegszeit. Online unter https://backend.univie.ac.at/index.php?id=148903  (Zugriff 18. Juli 2021)

Hartl, Carmen (2018). Trümmerfrauen − ein Spannungsfeld zwischen Heldinnen- und Opfermythos. Online unter: https://backend.univie.ac.at/index.php?id=155949  (Zugriff 18. Juli 2021)

Sperl, Alexander (2018). Die Kino-Wochenschau und die Konstruktion der „österreichischen“ Identität. Online unter https://backend.univie.ac.at/index.php?id=153679  (Zugriff 18. Juli 2021)

dgpb © Klaus Edel,