Erinnerungsarbeit in Deutschland und Österreich - Ein exemplarischer Vergleich von drei KZ-Gedenkstätten
David Lackner
Heute ist eine wissenschaftsnahe Erinnerung an den Nationalsozialismus im nationalen Gedenken Österreichs und Deutschlands fest verankert – doch das war nicht immer so. Wie entstanden diese nachkriegszeitlichen Erinnerungskulturen und in welcher Weise prägte dies wiederum die institutionelle Erinnerung? Inwiefern unterscheidet sich heute die Arbeit in ausgewählten Gedenkstätten? Eine exemplarische Analyse der Entwicklung der KZ-Gedenkstätten Buchenwald, Dachau und Mauthausen, im Hinblick auf politische, gesellschaftliche und geschichtswissenschaftliche Entwicklungen, als auch deren heutige pädagogische Konzepte, soll diese Fragen beantworten.
1. Die Entwicklung der nationalen Erinnerungskulturen
Zu Beginn erscheint es sinnvoll, den Begriff „Erinnerungskultur“ eindeutig zu definieren. In einer allgemeinen Auffassung versteht man darunter einen
„formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse […], seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur. […] Als Träger dieser Kultur treten Individuen, soziale Gruppen oder sogar Nationen in Erscheinung, teilweise in Übereinstimmung miteinander, teilweise aber auch in einem konfliktreichen Gegeneinander.“ (Cornelißen 2012, 1)
1.1. Politik und Staatlichkeit
Nach 1945 sollte es die Hauptaufgabe der drei Nachfolgestaaten des „Großdeutschen Reichs“(3)– Österreich, die Bundesrepublik Deutschland (=BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (=DDR) – sein, sich politisch in verschiedene unhistorische Verhältnisse zu dem vergangenen Nationalsozialismus zu stellen, um sich neu zu legitimieren. Anlass dazu gaben der Hintergrund der Besatzung, die Konfrontation mit kollektiven Schuldvermutungen als auch die unsichere nationale Zukunft. Dabei waren deren Ausgangslagen und damit auch deren Erklärungsmuster äußerst unterschiedlich. (Berg/Erb/Lichtblau 1995, 13)
Das nachkriegszeitliche Österreich versuchte den Nationalsozialismus als rein deutsche Sache zu charakterisieren im Hinblick auf die offizielle Nicht-Existenz der Republik während der Kriegsjahre, die Behauptung des erzwungenen „Anschlußes“ und Kriegsdienstes als auch den marginalen, zumeist kommunistischen Widerstand. So verwies man in allen Schuldfragen auf die BRD, um die eigene Darstellung als „erstes Opfer“ zu manifestieren. (Uhl 2005, 51 bzw. 53f.) Auch die DDR zeigte sich in ihrer Herangehensweise ähnlich. Man versuchte den Nationalsozialismus aus der eigenen Geschichte heraus zu interpretieren, indem man ihn in das kapitalistische Faschismusverständnis einordnete, wodurch dieser jede Verbindung zur sozialistischen DDR verlor. Dabei stellten vor allem die Bestärkung kommunistischer Akteure in ihrer Helden- und Opferrolle und die personellen Säuberungen Belege für die angestrebte Diskontinuität zum „Dritten Reich“ dar. (Blänsdorf 1995, 28) Der BRD war es als größerer und wirtschaftlich dominanter Teil Deutschlands, der zudem die Rechtsnachfolge des „Dritten Reichs“ antrat, in dieser Hinsicht nicht möglich einen solchen „Gründungsmythos“ zu etablieren. Die Rehabilitation konnte hier nur mittels eindeutigen Zugeständnissen für die Etablierung einer rechtstaatlichen Demokratie und die Haftung für die NS-Verbrechen gelingen. (Blänsdorf 1995, 32)
Auf der einen Seite stand der Umgang mit den Täterinnen/Tätern: so gab es in der frühen Nachkriegszeit in allen drei Teilräumen intensive Phasen der Entfernung von belasteten Personen aus dem öffentlichen Leben. Diese waren jedoch aufgrund verschiedener Ursachen noch vor 1950 größtenteils abgeschlossen. In Österreich wurde jene Entwicklung nach wenigen Jahren durch das „Nationalsozialistengesetz“ (1947) und den darauffolgenden Nationalratsbeschluss (1948) massiv eingebremst. Mit der Unterscheidung in minder- und schwerbelastete Nationalsozialisten wurden rund 90 Prozent aller Belasteten amnestiert. (Uhl 2005, 54) Die DDR hat in diesem Vergleich mit der „antifaschistisch-demokratischen Umwälzung“ bis 1949 wohl den intensivsten personellen Austausch betrieben. Danach gab es allerdings keine Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, da dies gegen die besagte Diskontinuität gesprochen hätte. Die konsequente „Entnazifizierung“ wurde zudem auch als Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik verwendet. (Wolfrum 2002, 142) Nach dem „Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit“ 1949 wurden – ähnlich wie in Österreich – auch in der BRD viele Belastete von der Diktatur in die Demokratie überführt. Der gewaltige bürokratische Aufwand einer individuellen Beurteilung und die Notwendigkeit einer raschen Demokratisierung bzw. eines wirtschaftlichen Aufstiegs führten zu einer politischen und gesellschaftlichen Reintegration. Nach diesen Umbrüchen in den drei Gebieten nahm die Verfolgung von Straftätern sukzessive ab. Nur in der Bundesrepublik kam es in den 60er-Jahren noch zu vielbeachteten NS-Prozessen. (Neirich 2000, 13)
Auf der anderen Seite stand der Umgang mit den Opfern: die BRD als Nachfolgestaat des „Dritten Reichs“ musste unter anderem mit der sogenannten „Globalentschädigung“(4) eindeutige Zugeständnisse auf materieller und finanzieller Basis machen, auch wenn bestimmte Opfergruppen nicht berücksichtigt wurden. Österreich und die DDR verwiesen dagegen in allen Schuldfragen auf den großen Nachbarn. Legitimiert wurde diese Haltung damit, dass es zu Kriegszeiten keine souveräne österreichische Regierung gab und der Staat somit nicht haftbar gemacht werden konnte. Die DDR verwies auf ihren Status als neuer Staat ohne Kontinuität zum NS-Regime. In beiden Fällen kamen den Opfern trotzdem gewisse Zahlungen zu, die allerdings als Fürsorgemaßnahmen getarnt waren. In Ostdeutschland gab es zudem finanzielle Unterstützung zur Anerkennung des Widerstands. (Blänsdorf 1995, 22 bzw. 29) Eine Gemeinsamkeit der drei Länder war die Neigung, die jüdischen Geschädigten nicht explizit zu berücksichtigen. Österreichs Darstellung als erstes Opfer erübrigte seine Verantwortung für die jüdischen Überlebenden. In der Faschismustheorie der DDR wurden diese mit den anderen Opfern gleichgestellt, da die antisemitische Rassenverfolgung darin nicht enthalten war. Zudem wurden die als passiv dargestellten Opfer den Leidtragenden des kommunistischen Widerstands untergeordnet. Auch in der Bundesrepublik wurde den deutschen Kriegsopfern mehr Beachtung entgegengebracht als den Verfolgten des Regimes und eine explizite Erinnerung an die jüdischen Opfer konnte sich nur langsam durchsetzen. Allgemein kann zu der Konstruktion dieser nachkriegszeitlichen Geschichtsbilder gesagt werden:
„Erinnerungen, die die eigene Identität und deren Strukturen stärken, werden angenommen, während gegenteilige Erinnerungen, welche das eigene Selbstbild destabilisieren würden, ausgeblendet werden.“ (Bräuß 2010, 90)
1.2 Gesellschaft und Privates
Vor dem Hintergrund der angenommenen Geschichtsbilder ist bemerkenswert, inwiefern die Bevölkerung diese angenommen oder hinterfragt hat und welche Umbrüche sich in diesen Entwicklungen feststellen lassen. Die gemeinsame Befreiung von Schuld verband die Menschen der BRD miteinander, wobei sich diese Haltung zumindest von 1949 bis in die 1960er-Jahre vernehmen ließ. Verschiedene Ereignisse der späten 1950er- und 1960er-Jahre, allen voran die medialen NS-Prozesse und die wirksame „68er-Bewegung“ – eine linksgerichtete Studenten- und Bürgerrechtsbewegung – führten in der Bundesrepublik zu einer offenen Diskussion über die NS-Vergangenheit, wobei gerade junge Menschen die Mitbeteiligung der älteren Generationen hinterfragten. (Thamer 2006, 67 bzw. Wolfrum 2002, 139) Eine Solidarisierung der Bevölkerung vor dem breiten politischen und öffentlichen Konsens der Opferrolle kann für Österreich beschrieben werden, auch wenn diese Haltung mit der Zeit Abwandlungen unterworfen war. Hiermit wurde der willkommene „Anschluß“ an das „Dritte Reich“ und die Mitbeteiligung an den NS-Verbrechen verleugnet. So sollte diese Haltung mit Ausnahme einiger weniger Ereignisse bis zur Affäre um den Präsidentschaftskandidaten der ÖVP Kurt Waldheim 1986 beinahe unangetastet bleiben, dessen NS-Hintergrund Anlass dazu bot, die gesamtstaatliche Mitbefangenheit zu hinterfragen. (Uhl 2005, 65f. bzw. 70) Die starre Ideologie der DDR, deren Legitimationsbasis bis zuletzt der Antifaschismus gewesen ist, ließ von der Etablierung des Regimes bis zu deren Zerfall keine vergleichbaren Umbrüche zu. Die Bevölkerung hatte kaum Möglichkeiten ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, wobei auch diese Situation eine Art der Solidarisierung unter der Bevölkerung bewirkte. Durch die Befürwortung und Unterstützung des neuen Systems konnte man sich nachträglich in die Reihen der Sieger einordnen. (Blänsdorf 1995, 28f.) Somit hatten in allen drei Teilgebieten die politischen Einstellungen und Vorgaben entscheidenden Einfluss auf die gesellschaftliche Auseinandersetzung, wobei es zumindest in Österreich und der BRD durch entsprechende Umbrüche im nationalen Gedenken zu einer Aufweichung der etablierten Rollenbilder gekommen ist.
„Erinnerung [ist] immer auch gebunden an die vorhandenen politischen Herrschaftszusammenhänge, denn durch das Setzen von Fixpunkten der Erinnerung werden die jeweiligen Machtverhältnisse in der Gesellschaft widergespiegelt.“ (Bräuß 2010, 90)
1.3 Wissenschaft und Lehre
Die entworfenen nationalen Geschichtsbilder wurden in allen drei Staaten zumeist von den Ausarbeitungen der Geschichtswissenschaft unterstützt, wobei die Erforschung des Nationalsozialismus in der BRD erheblich früher einsetzte. Mit Gerhard Ritters „Europa und die deutsche Frage“ (1948) entstand schon bald ein Werk, das auch eine gewisse Mitschuld der deutschen Gesellschaft thematisierte, während andere Autorinnen/Autoren der frühen Nachkriegszeit die Schuld eindeutig der Führungselite zuschrieben. Zudem versuchte man den Nationalsozialismus und den Kommunismus der DDR auf eine Ebene zu stellen. (Blänsdorf 1995, 34f.) Bis in die 1970er-Jahre setzte sich die österreichische Geschichtswissenschaft kaum mit der NS-Vergangenheit oder deren Vorgeschichte in Österreich auseinander. Heinrich Benedikts „Geschichte der Republik Österreich“ (1954) behandelte die Mitbeteiligung an den NS-Verbrechen kaum. Bis auf wenige Ausnahmen ließ sich eine verstärkte Thematisierung der österreichischen Schuld in der Literatur erst nach der Affäre um Kurt Waldheim vernehmen. Die DDR begann Anfang der 1960er-Jahre mit der Erforschung des Nationalsozialismus aufgrund der wissenschaftlichen Neustrukturierung und den Unsicherheiten im entworfenen Geschichtsbild. Auf kommunistischer Seite fehlten Fachkräfte und so war die Interpretation anfangs Personen aus Politik, Literatur, Journalismus und Pädagogik überlassen. In den 1970er-Jahren öffnete man sich weiteren Forschungsfeldern, wobei der ideologische Rahmen jedoch beinahe unverändert blieb. Mit der „Deutschen Geschichte“ (1968) wurde ein Beitrag veröffentlicht, der die Entwicklungsstränge des Nationalsozialismus und des rivalisierenden Kommunismus parallel zueinander darstellte. (Blänsdorf 1995, 25f. bzw. 30)
2. Die institutionelle Erinnerung
Wie bereits anfänglich erwähnt, boten die drei Staaten sehr unterschiedliche Ausgangslagen, nicht nur für die Etablierung von sich selbst bestärkenden Geschichtsbildern, sondern auch für die Einrichtung von Gedenkstätten an den Orten ehemaliger Konzentrationslager. Während die Gedenkstätte Dachau von Minderheiten erstritten werden musste, wobei etliche Jahre bis zur offiziellen Instandsetzung (1965) vergingen, wurden die Institutionen in Mauthausen (1949) und Buchenwald (1958) entsprechend der öffentlichstaatlichen Standpunkte von der politischen Obrigkeit relativ schnell etabliert. So wurde Österreichs Opferrolle in der oberösterreichischen Institution manifestiert, während sich die DDR-Führung nach konfliktreichen Jahren mit der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald ein „Nationaldenkmal“ errichtete, das den heroischen Sieg des Kommunismus über den Faschismus darstellen sollte.
In diesen Prozessen lassen sich zahlreiche Verbindungen zu den Entwicklungen der nationalen Geschichtsbilder, welche zuvor thematisiert wurden, festhalten. Für Österreich kann behauptet werden, dass die eingenommene Opferposition der frühen Nachkriegszeit auch in der Errichtung der Gedenkstätte Mauthausen ihren Ausdruck fand. Das Lager wurde bis auf ausgewählte Teile vernichtet, wobei ein „Ort der Martyrologie“ (Perz 2002, 155) entstand. Dieser sollte neben der Opferrolle auch stellvertretend für Österreichs Widerstand gegen das NS-Regime stehen. Die offizielle Bezeichnung der Gedenkstätte galt in erster Linie den „im Kampf […] gefallenen Opfer[n] des Nationalsozialismus“, also in erster Linie dem Widerstand und nicht den Verfolgten. Selbst die 1970 eröffnete Dauerausstellung erscheint noch ganz in der Selbstdarstellung als Opfer, obwohl ihre Einrichtung als sehr wichtig für die weitere Entwicklung zu einem nationalen Gedenkort angesehen werden kann. In Reaktion auf die Zäsur der Waldheim-Affäre 1986 wurde die wissenschaftlich-pädagogische Struktur der Gedenkstätte hinterfragt, was sich in einer Reihe von Reformvorschlägen äußerte. (Angerer 2014, 52f.)
Auch anhand der Entwicklung der KZ-Gedenkstätte Dachau lassen sich Verbindungen zum nationalen Geschichtsbild erkennen. Die vor allem in den 1950er-Jahren betriebene Verdrängung der NS-Vergangenheit zeigt sich neben den Versuchen der vollkommenen Schließung auch in den Plänen zur Nachnutzung des Areals. Obwohl der Vorschlag zur Einrichtung eines Lagers für „Asoziale“ nicht umgesetzt wurde, stellte auch die „Wohnsiedlung Dachau-Ost“(5) einen Konzeptideutlichen Versuch der Überprägung des Ortes dar. Des Weiteren müssen auch das sauber renovierte Krematorium und die gartenhafte Gestaltung als äußerst kritisch gesehen werden. Entsprechend des Umschwungs zu einer offeneren Sichtweise, den die Bundesrepublik Deutschland von den 50er zu den 60er Jahren durchmachte, konnte 1962 auch ein Vertrag zur offiziellen Errichtung der Gedenkstätte vereinbart werden. Im anschließenden Wandel des Geländes zur sakralen Erinnerungsstätte – es wurden zahlreiche Denkmäler, Kapellen und eine Kirche auf dem Areal erbaut – blieben viele Opfergruppen vollständig unbeachtet. Zudem muss diese Entwicklung auch als problematisch angesehen werden, da sie den Ort des Leidens konträr als Ort des Heils präsentierte. (Ritscher 2013, 201f.)
Am deutlichsten erscheinen die Verbindungen zwischen dem Geschichtsbild der DDR und der Entwicklung der Gedenkstätte in Buchenwald. Dies zeigte sich schon mit dem ab Kriegsende verbreiteten „Buchenwald-Narrativ“(6), in dem der kommunistische Kampf gegen den Nationalsozialismus eine zentrale Stellung einnahm. In der offiziellen Bezeichnung als „Nationale Mahn- und Gedenkstätte“ kam die staatliche Inanspruchnahme dieser hervor. Die Nutzung als „Speziallager Nr. 2“(7) in den ersten Nachkriegsjahren sollte in Konkurrenz zur ehemaligen Aufgabe des Konzentrationslagers stehen, beziehungsweise diese überlagern. Mit der „Minimierung der Relikte als Voraussetzung für die Maximierung historischer Sinnbildung“(8), sollte das Areal ganz dem Interpretationskonzept der politischen Führung dienen. (Knigge 1999, 218f.) Diese Darstellung des siegreichen Kommunismus sollte bis zur Wiedervereinigung Deutschlands beinahe unverändert bestehen bleiben. Nach 1989/90 musste die Gedenkstätte Buchenwald von Grund auf neugestaltet werden, um eine zeitgemäße und neutrale Vermittlung zu gewährleisten.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Umgang mit den behandelten Gedenkstätten nach 1945 die Interpretation der NS-Zeit durch die drei Staaten relativ gut widerspiegelt. Es finden sich zahlreiche Anhaltspunkte, die auf eine direkte Verbindung zwischen der Konzeption der Gedenkstätten und der Gestaltung der nationalen Geschichtsbilder schließen lassen. Wie gezeigt wurde, dominierten diese antagonistischen Sichtweisen für längere Zeit, doch mit dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Fortschritt der europäischen Einigung lässt sich allgemein eine „Europäisierung des Gedenkens“ (Radonic 2010, 21) beschreiben, was einer Annäherung der ungleichen Geschichtsbilder gleichkommt. Heutzutage steht eine objektive Sichtweise der NS-Vergangenheit im Vordergrund, welche die „Mythen der Nachkriegszeit“ abgelöst hat.
3. Pädagogik im Vergleich
Im folgenden Abschnitt sollen die speziellen Ausformungen der pädagogischen Arbeit in den drei Gedenkstätten Buchenwald, Dachau und Mauthausen ansatzweise miteinander verglichen werden. Die Eckpunkte des Vergleichs stellen dabei die Rahmenbedingungen bzw. der Prozess der Neukonzeption, die pädagogischen Leitlinien sowie die Bildungsangebote der Einrichtungen dar. Neben den didaktisch- methodischen Aspekten sollen die sich verändernden nationalen Geschichtsbilder hierbei anhand der Entwicklung der dauerhaften Ausstellungsformate in den drei KZGedenkstätten aufgezeigt werden, wobei jeweils sehr frühe und die aktuellen Konzepte miteinander verglichen werden. Dementsprechend sind nachfolgende Ausführungen als eine Art Momentaufnahme zu verstehen, welche die Situation Mitte des Jahres 2015 festzuhalten versucht und sich größtenteils auf Onlinequellen der Gedenkstätten stützt.
3.1. Institutioneller Rahmen und Prozess der Neukonzeption
Die deutschen Gedenkstätten gelten beide als „Gedenkstätten von nationaler und internationaler Bedeutung“ und werden somit vom Bund mitgetragen. Gleichzeitig sind sie auch Teil verschiedener Stiftungen. So ist die KZ-Gedenkstätte Dachau neben der Institution Flossenbürg Teil der „Stiftung bayerische Gedenkstätten“. Die Einrichtung Buchenwald ist Teil der „Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“. Die Gedenkstätte Mauthausen untersteht seit 1970 der Abteilung IV/7 Gedenkstätten und Kriegsgräberfürsorge des Bundesministeriums für Inneres. So werden demnach alle drei Gedenkstätten maßgeblich vom österreichischen bzw. deutschen Bund mitgetragen und zeigen sich in dieser Hinsicht ähnlich. Außerdem wirkt eine Vielzahl von Vereinen und anderen Zusammenschlüssen im Hintergrund aller drei Gedenkstätten.
Bezüglich der bestehenden pädagogischen Konzepte kann gesagt werden, dass man in Oberösterreich über das jüngste Format verfügt, da dieses erst 2009 erneuert worden ist. Relativ aktuell ist auch die letzte Neufassung in der KZ-Gedenkstätte Dachau, welche aus dem Jahr 2003 stammt. Am längsten besteht in diesem Vergleich die Konzeption der Einrichtung Buchenwald, die noch in den Jahren 1991/92 entworfen wurde, sich aber zur Zeit der Entstehung dieses Artikels in einer neuerlichen Umbruchphase befindet. In Dachau und Mauthausen hat man mit den Überarbeitungen auf öffentliche Anliegen reagiert, wobei diese Forderungen längere Zeit ohne Reaktion der Einrichtungen geblieben sind. In Buchenwald hingegen haben der weltpolitische Umschwung und das Ende der kommunistischen Herrschaft eine sofortige Neuorientierung der Gedenkstätte erforderlich gemacht. Die Neukonzeption an allen drei Gedenkstätten zeigt sich ähnlich in der Hinsicht, dass diese überall von externem Fachpersonal angeleitet oder zumindest mitgeprägt worden ist.
3.2 Grundsätzliche Leitlinien
Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass den Leitlinien aller drei Einrichtungen der Anspruch des Perspektivenwechsels gemein ist. Es wird als überaus wichtig angesehen, dass sich ein differenziertes, kritisches Geschichtsbild vor dem Hintergrund der Einnahme unterschiedlicher Blickwinkel entwickeln kann. Hier lassen sich unterschiedliche Ausprägungen erkennen. In Mauthausen geschieht der Perspektivenwechsel über verschiedene Gruppen (Opfer, Täterinnen/ Täter, Menschen aus der Gesellschaft). Buchenwald forciert dagegen speziell den Einblick in die Täterschaft und deren Ursprünge, demnach eine bestimmte Gruppierung. Dachau versucht eine Orientierung nach Basisthemen vorzugeben und sich seinerseits auf die Vielfalt der Besucher/ innen einzustellen. Auch diese Themen umfassen teilweise die Einnahme von Gruppenpositionen (z.B.: Sterben/Morden – Opfer/Täter).
Ein zweiter gemeinsamer Bezugspunkt in den Leitlinien der Gedenkstätten ist die angestrebte Reflexionsfähigkeit der Besucher/innen. Diese sollen vor dem Hintergrund von Menschenrechten und Demokratie befähigt und angeregt werden, ihre eigenen ethischen und politischen Einstellungen zu hinterfragen. Hiermit soll der Blick für aktuelle, bzw. zukünftige Entwicklungen geschärft und eine nachhaltige Beschäftigung mit den Themen Nationalsozialismus und Holocaust erreicht werden.
Die Einrichtungen Buchenwald und Mauthausen stellen die Kommunikation explizit als eine ihrer Leitlinien vor. Neben der Interaktion als Hauptkomponente ist besonders in Mauthausen auch die „Verzahnung von Unterricht und Gedenkstättenbesuch“ Teil der Prinzipien der pädagogischen Arbeit. Insgesamt ist der Eindruck entstanden, dass die Einrichtung Mauthausen im Vergleich mit den anderen Gedenkstätten den intensivsten Kontakt mit schulischen Einrichtungen pflegt, wobei alle drei KZ-Gedenkstätten ausdrücklich kostenlose schulische Materialien bereitstellen. Die Leitfäden der Gedenkstätte Dachau stellen sich relativ komplex dar. Neben der angesprochenen Multiperspektivität und der Reflexion ist es von Bedeutung, die Authentizität des Ortes zu hinterfragen und die Inszenierungsmöglichkeiten desselben zu thematisieren. Zudem versucht sich die bayerische Einrichtung einem teils sehr unterschiedlichen, internationalen Publikum anzupassen. Die Gedenkstätte Buchenwald zeigt sich in ihren Ansätzen sehr vielschichtig und verbindet in ihren Leitlinien mehrere Ebenen. Zusätzlich zu den genannten Prinzipien der Reflexion, der Kommunikation und des Perspektivenwechsels wird das forschende Lernen auf Basis von authentischen, historischen Fundstücken als Eckpfeiler der Bildungsarbeit ausgewiesen.
3.3 Bildungsangebote
In allen drei Gedenkstätten gibt es eine klassische überblickshafte Führung, die zwischen eineinhalb und zweieinhalb Stunden in Anspruch nimmt. Vorangestellt ist immer eine Einführungseinheit, die sich unterschiedlich darstellt. Während in Mauthausen vor allem die Eindrücke der Besucher/ innen im Zentrum stehen, sind es in Dachau und Buchenwald einleitende Vorträge bzw. Videobeiträge. Darüber hinaus besteht in den Gedenkstätten Mauthausen und Buchenwald eine ausgedehnte Form der Führung. Diese zeigt sich in Thüringen themenbasiert, die Besucher/innen in Oberösterreich bestimmen durch ihre Äußerungen und die Wahl von Bildern während der Vorbereitung die Führung entscheidend mit. Solch eine erweiterte Form besteht in Dachau nicht, doch die Gedenkstätte bietet regelmäßig Führungen zu mehreren Themenschwerpunkten an.
Dachau und Buchenwald offerieren ganztägige Angebote zu verschiedenen Bereichen unter den Bezeichnungen „Tagesseminare“ und „Ganztägige Veranstaltungen“. Zudem bestehen in der bayrischen Gedenkstätte auch verkürzte Varianten mit halbtägigen Angeboten und ein spezieller Workshop für Jugendliche. Auch in Oberösterreich werden Workshops zu verschiedenen Themen angeboten, die jedoch lediglich zwei Stunden dauern, während die Angebote in den anderen Gedenkstätten deutlich mehr Zeit für sich beanspruchen. In Buchenwald finden zudem auch „Mehrtägige Veranstaltungen“ und sogenannte „Workcamps“ statt. Erstere beanspruchen zwischen zwei und fünf Tage für sich und können je nach Gruppeninteresse individuell oder nach vorgefertigten Themen gestaltet werden. Die „Workcamps“ bieten vor allem Jugendlichen während der Sommermonate ein Angebot, sich mit Gleichaltrigen innerhalb von vierzehn Tagen auszutauschen und miteinander kleinere Arbeiten auszuführen. Längere Angebote finden sich also nur in den beiden deutschen Einrichtungen, während Mauthausen dieInterse etwas vermissen lässt und auch bezüglich der Vielfältigkeit muss im Vergleich gesagt werden, dass diese in Dachau und Buchenwald ausgeprägter erscheint.
Neben den andauernden Ausstellungen begleiten die Gedenkstätten verschiedene Sonderausstellungen. Während zurzeit in Buchenwald seit mehreren Jahren eine umfassende fotografische Ausstellung vorhanden ist, besteht seit Mai 2015 eine „Sonderausstellung zum internationalen Mahnmal“ in Dachau. Mitunter geben die Websites der Gedenkstätten Auskunft über zwei vergangene Sonderausstellungen in Mauthausen, ganze elf in Dachau und zehn in Buchenwald. Ein weiterer Ansatzpunkt für den Vergleich ist die Jugendbegegnung. Während diese in internationaler Form in Mauthausen (2000) und Buchenwald (2008) lediglich einmal stattgefunden hat, ist diese in Dachau ein jährliches Unterfangen. Dazu bestehen in Dachau und in Buchenwald Jugendbegegnungsstätten, welche die Unterbringung von jugendlichen Besucherinnen/Besuchern ermöglichen und Platz für die Ausübung von Bildungsangeboten bieten. Ein solche Installation ist in Mauthausen seit mehreren Jahren im Gespräch, hat allerdings bisher keine Ausführung gefunden.
Weitere spezielle Angebote der Gedenkstätten sind beispielsweise „Archivpädagogische Angebote“ und eine eigene Film- bzw. Buchreihe in Dachau als auch die Möglichkeit Ausstellungen zu verleihen, was in der Gedenkstätte Buchenwald der Fall ist.
Bezüglich der Zielgruppen kann gesagt werden: Grundsätzlich sind beinahe alle Bildungsangebote in den drei Einrichtungen für junge Menschen geeignet. Lediglich in der Jugendbegegnungsstätte Buchenwald bestehen mit Seminaren, Tagungen und Multiplikatorinnen/Multiplikatoren- Seminaren Angebote, welche nur für Erwachsene gedacht sind. Die wichtigste Zielgruppe stellen somit eindeutig die Schüler/innen dar. Die Altersgrenze wird von der Gedenkstätte Mauthausen für alle Angebote bei vierzehn Jahren angesetzt. Die deutschen Einrichtungen unterscheiden hier zwischen der Besichtigung des Geländes bzw. der Museen (ab zwölf Jahren) und den pädagogischen Angeboten wie z.B. Führungen (ab vierzehn Jahren in Dachau und ab fünfzehn Jahren in Buchenwald).
3.4 Vergleich der dauerhaften Ausstellungskonzepte
Hierbei stellen die Urheber/innen, die thematischen Vermittlungsschwerpunkte und die angestrebten Zielsetzungen der Ausstellungen vergleichbare Aspekte dar.
Zu den frühen Ausstellungskonzepten kann Folgendes festgehalten werden. In Mauthausen war die Ausstellung 1970 vom ehemaligen Häftling und Lagerschreiber Hans Maršálek entworfen worden. Auch die Urheber/innen der Ausstellung von 1965 in Dachau waren als im Comité InteSeminational de Dachau (= CID) vereinigte ehemalige Lagerhäftlinge direkt betroffen. Das Konzept der Ausstellung 1954 in Buchenwald wurde dagegen vom relativ distanzierten Berliner „Museum für Geschichte“ gestaltet. Die Vermittlungsschwerpunkte zeigten sich, wie man es für überblickshafte Ausstellungen erwarten würde, in Mauthausen und Dachau sehr vielfältig. Gemeinsamkeiten bieten hier die Themenbereiche der Verwaltung des Lagers, der Häftlingssituation und der medizinischen Experimente. Buchenwalds frühe Ausstellung zeigte hingegen beinahe ausschließlich die Situation der deutschen, kommunistischen Häftlinge auf. In Dachau sollte in erster Linie durch eine möglichst realistische Aufbereitung die empathische Anteilnahme der Besucher/innen erreicht werden. Die österreichische Variante zielte auf die Nachvollziehbarkeit der Lagerverhältnisse ab und erfüllte als „Erziehungsprojekt“ für die Heranwachsenden auch eine politische Funktion. In dieser Hinsicht zeigen sich diese beiden Varianten ähnlich. Auch eine nüchterne Aufbereitung vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Relikte am besten für sich selbst sprechen sollten, ist ihnen gemeinsam. (Perz 2006, 222 bzw. Zifonun 2004, 24) Mit der Umgestaltung des Lagergeländes zur Gedenkstätte in Buchenwald sollte vor allem die DDR als neues, besseres Deutschland beglaubigt werden. Durch ihre Darstellung des Nationalsozialismus als radikalisierter Klassenkampf erfüllte sie das angestrebte positive Selbstbildnis. (Knigge 1998, 123) In Österreich sollte mit der Ausstellung 1970 das nationale Bild der Opferrolle bestärkt werden. Des Weiteren enthielt diese eine starke Zweiteilung zwischen untereinander solidarisierten Opfern und brutalen, unmenschlichen Täter/innen als auch eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Häftlingskategorien. Somit wurden die nationalen Geschichtsbilder der frühen Nachkriegszeit mittels der erwähnten Ausstellungen in Buchenwald und Mauthausen weitestgehend gestützt. Die Ausstellung in Dachau ist hingegen in einer Zeit der Öffnung Westdeutschlands gegenüber seiner NS-Vergangenheit entstanden und zeigte ein offeneres Bild. Hierbei wurde beispielsweise auch schon die Judenverfolgung in Ansätzen dargestellt. (Zifonun 2004, 24)
Die aktuellen Ausstellungskonzepte betreffend können ebenfalls einige Unterschiede verdeutlicht werden. Die Urheberschaft der jeweiligen Konzeptionen zeigt sich grundsätzlich ähnlich. Die Konzepte zu beiden Ausstellungen in der oberösterreichischen Gedenkstätte wurden von einer internationalen Arbeitsgruppe aus verschiedenen Fachbereichen angeregt. Maßgeblich für drei der vier bestehenden dauerhaften Ausstellungen in Buchenwald waren die Beschlüsse einer vom thüringischen Wissenschaftsminister eingesetzten Kommission von Historikerinnen/Historikern aus dem Jahr 1992. Die aktuelle Ausstellung in Dachau ist vom Haus der Bayerischen Geschichte in Abstimmung mit dem CID und unter Einbeziehung der Leitung der KZGedenkstätte entworfen und unter Begleitung durch einen wissenschaftlichen Fachbeirat gestaltet worden. Den aktuellen Ausstellungskonzepten ist also gemeinsam, dass diese von externem Fachpersonal (mit-)gestaltet worden sind. Lediglich in Dachau kam ehemaligen Gefangenen dabei ein direktes Mitspracherecht zu. Bezüglich der Vermittlungsschwerpunkte kann gesagt werden, dass die Ausstellung „Der Tatort Mauthausen“ neben der historischen Überblicksausstellung eine von sechs vorgesehenen Einrichtungen zu speziellen Aspekten darstellt. Themenschwerpunkte sind hier die Vernichtungspraktiken und Tötungsorte des Lagers Mauthausen. In der Überblickausstellung werden verschiedenste Thematiken angesprochen, wobei vor allem eine Einbettung des Lagers in überregionale Strukturen thematisiert wird. Dies geschieht in vier Phasen und auf drei thematischen Ebenen. (Dürr/ Lechner/ Wahl/ Wensch 2013, 300) Die Ausstellung in Dachau vermittelt in sechs Abschnitten und drei Zeiträumen den „Weg der Häftlinge“, also deren Weg ins Lager, den Lageraufenthalt und deren Befreiung oder Tod, womit diese also eindeutig opferbezogen ist. Die Gedenkstätte Buchenwald behandelt mit drei historischen Dauerausstellungen ihre wechselhafte Vergangenheit. Die Überblicksausstellung versucht unter anderem eine differenzierte Darstellung von Opfern und Täterinnen/Tätern als auch einen Überblick zur Vorgeschichte und den Funktionen des Lagers in und vor dem Krieg zu geben. Die Ausstellung zum „Speziallager Nr. 2 Buchenwald“ enthält eine historisch kausale Aufbereitung zur Einrichtung und dem Aufbau des Lagers, den Lebensbedingungen darin und der Auflösung desselben. Den Fortschritt der Erinnerungsbildung versucht man durch die Ausstellung zur Geschichte der Gedenkstätte in acht Abschnitten aufzuzeigen. (Knigge 1990, 97ff.) Die Zielsetzungen der neuen Angebote erscheinen wie folgt: Das neue Ausstellungskonzept Mauthausens versucht das überkommene Geschichtsbild zu dekonstruieren und eine Reihe verschiedener Aspekte darzustellen. Dabei sollen in der Überblicksausstellung alle Bereiche der Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen in einem kleinräumigen Darstellungsprinzip abgebildet werden, womit auch versucht wird zuvor gewonnene Informationen aus einem Rundgang zu festigen. Die Ausstellung „Tatort Mauthausen“ verweist auf andere Tötungsbereiche außerhalb des Krematoriums bzw. der Gaskammer. Mit der Ausstellung in Dachau soll „Der Weg der Häftlinge“ durch authentische Wegführung und Räumlichkeiten für die Besucher/innen nachvollziehbar werden. Diese sollen somit tiefgehende Einblicke in konkrete Situationen der Häftlingsperspektive erhalten. Mit der Überblicksausstellung „Das Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945“ sollte in erster Linie das überkommene Geschichtsbild der DDR dekonstruiert werden. Die Ausstellung zur Geschichte der Gedenkstätte zeigt ganz offen den Weg von der politischen Instrumentalisierung durch das Nationaldenkmal der DDR zum transparenten Geschichtsdenkmal der heutigen Zeit. Durch die Ausstellung zum „Speziallager 2“ konnten unhistorische Haltungen bzw. verfestigte falsche Bilder aufgedeckt und mit anderen Lagersystemen vergleichbar werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die frühen Ausstellungskonzepte jeweils auf einen historischen Überblick bei unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen konzentrierten. Während damit in Österreich und der DDR die Schutzmechanismen der in der frühen Nachkriegszeit etablierten nationalen Geschichtsbilder unterstützt wurden, konnte sich in Dachau eine offenere Darstellung durchsetzen, welche auch die eigene NS-Vergangenheit thematisierte. Die aktuellen Formate sind weit komplexer gestaltet. In Mauthausen sind neben der historischen Überblicksausstellung weitere sechs Einrichtungen an verschiedenen Orten des Lagers geplant, wobei mit dem „Tatort Mauthausen“ die erste davon realisiert worden ist. Aufgrund der Notwendigkeit der Darstellung der Geschichte beider Lager – Konzentrationslager und Speziallager Nr.2 – und der politischen Instrumentalisierung sind in Buchenwald drei historische Ausstellungen entstanden. Die Gedenkstätte Dachau verfügt hingegen lediglich über eine historische Dauerausstellung. Allenfalls sind in den neuen Konzepten die „Mythen der Nachkriegszeit“ überwunden worden. Somit stellen die charakteristischen Veränderungen der andauernden Ausstellungskonzepte aussagekräftige Anhaltspunkte dar, welche den Fortschritt der nationalen Erinnerungskulturen deutlich aufzeigen.
Die drei KZ-Gedenkstätten Mauthausen, Dachau und Buchenwald sind heute alle im nationalen Gedenken Deutschlands bzw. Österreichs fest verankert. Deren didaktische Konzeptionen waren seit 1945 starken Veränderungen unterworfen. Von allen drei Einrichtungen werden ähnliche übergeordnete Zielsetzungen verfolgt, wie etwa der Aufbau eines differenzierten Geschichtsbildes und das Ableiten von persönlichen Haltungen mittels Reflexion vor dem Hintergrund von Demokratie und Menschenrechten. Dennoch kommt es in dem komplexen Aufgabenbereich der Erinnerungsarbeit zu verschiedenen Ausprägungen und Schwerpunktsetzungen, die auch mit der divergenten Vergangenheit der Institutionen im Zusammenhang stehen.
LITERATUR
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dgpb © David Lackner