Schengen


Abb. 40 Schengener Übereinkommen, unterzeichnet am 14. Juni 1985

Andreas Pudlat

Drei Jahrzehnte Schengen. Was am 14. Juni 1985 von fünf Staaten vereinbart worden ist, ist 2015 europäische Realität: Regelmäßige Grenzkontrollen sind innerhalb eines Raumes, der 26 Vollanwender-Staaten umfasst, abgeschafft. Mehr als 500 Millionen Europäer/innen profitieren davon, die europäische Integration hat ein Erfolgssymbol. Sich mit den entsprechenden Übereinkommen und ihrer Geschichte zu befassen, erscheint angesichts der Wirkung, die sie entfalten, fast schon als ebenso anachronistisch wie die betroffenen Grenzen. Dabei lohnt sich der Blick auf Schengen und ermöglicht in mehr als einer Hinsicht historisch-politisches Lernen.

Da wäre zunächst der ereignisgeschichtliche Zugriff. Dieser bedarf einer Annäherung an den Begriff „Grenze“, der – auf historischem Vorwissen und ggf. eigenem Erleben aufbauend – facettenreich hinsichtlich der verschiedenen Arten, Bedeutung, Funktion und Manifestation in der geschichtlichen Entwicklung, vor allem aber hinsichtlich seiner Ambivalenzen erarbeitet werden kann. Abgeleitet ist er aus dem slawischen Wort für „schützen“ bzw. „bewahren“: „granica“. Dasselbe fand über das Lateinische schließlich als „grenitze“ ins Deutsche Eingang und wird seit dem 17. Jahrhundert, als sich Territorialstaaten bildeten, für Linien zur Definition von physischen Räumen gebraucht. In diesem Verständnis trennen dieselben Hoheitsgebiete souveräner benachbarter Staaten und sind völkerrechtlich anerkannt. Als Staatsgrenzen sind sie damit, etwa in Abgrenzung zu natürlichen Grenzverläufen, Konstrukte, mithin veränderbar und das Ergebnis von politischen Prozessen, hängen also mit Machtverhältnissen ebenso zusammen wie mit gewaltsam ausgetragenen Konflikten und Übereinkommen. Sie dienen verschiedenen Zwecken: der Wahrung der Souveränität nach außen ebenso wie der Aufrechterhaltung der jeweiligen Rechtsordnung im Inneren. Sie haben eine raumordnende und identitätsbildende Wirkung. In diesem Zusammenhang manifestieren sie sich nicht nur durch Grenzsymbole wie Grenzpfähle oder Schilder, durch die die Staatsgrenze direkt als solche markiert ist, sondern auch durch Grenzkontrollen, die allein wegen des beabsichtigten Grenzübertritts durch eigens zu diesem Zwecke eingesetzten Personals und mit Hilfe entsprechend geschaffener Infrastruktur, etwa Grenzübergangsstellen, stattfinden (können). Grenzen werden damit erfahrbar und zur Erhebung von Steuern und Abgaben sowie zur Überwachung von Personen und Sachen instrumentalisiert. In diesem Zusammenhang sind sie bzw. die durchgeführten Kontrollen vor allem für die Steuerung von Migration und die Bekämpfung von Kriminalität nicht zu unterschätzen. Als Ergebnis und Ausdruck von Politik ermöglichen Grenzen Identifikation ebenso wie In- und Exklusion, wirken befriedend oder rufen Konflikte hervor, trennen und einen – sind also sehr ambivalent.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ungeachtet der scharfen Profilierung des Eisernen Vorhangs als Systemgrenze, die von östlicher Seite militärisch und von beiden Seiten ideologisch erfolgte, Grenzen als Ausdruck jenes Nationalismus gedeutet, der in die beiden Weltkriege führte. Darüber hinaus wurden zunehmend die Kosten sowie die wirtschaftshemmende Wirkung thematisiert, die sich durch Wartezeiten und bürokratische Prozeduren entfaltete und später zu einem Hauptmotiv des Schengen-Prozesses werden sollte.

Die Einigung der „Regierungen der Staaten der Benelux- Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen“ von 1985 hat also eine Vorgeschichte, die bereits in der Nachkriegszeit beginnt und sich nicht auf das Streben nach erleichterten Grenzkontrollen und einer Passunion in den 1970er-Jahren begrenzen lässt. Dahinter stand die Absicht, das Wirtschafts- und Elitenprojekt der europäischen Einigung bürger/innennäher im Sinne eines freizügigen „Europas der Bürger“ zu gestalten. Die Vorhaben scheiterten gleichwohl wiederholt aufgrund von Bedenken und Fragen der konkreten Umsetzung.

Abb. 41 Schengen Denkmal

Daher wird Schengen auch häufig als direkte Folge des 1984 geschlossenen Saarbrücker Abkommens gesehen. Darin vereinbarten Frankreich und Deutschland bilateral, allerdings mit Wirkung für alle Bürger/innen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, den sukzessiven Abbau der Kontrollen an ihren Grenzen. Sie waren nicht die ersten in Europa. Seit den 1920er-Jahren gab es bereits die Common Travel Area (CTA), auch die Nordische Passunion von 1957 zwischen Dänemark, Finnland und Schweden und die BeNeLux-Passunion von 1960 waren Jahrzehnte etabliert. Allerdings erzeugten François Mitterrand und Helmut Kohl mit ihrer Absprache – die der deutsche Bundeskanzler, den zu erwartenden Widerstand antizipierend, sogar über die Köpfe der zuständigen Ministerien einging – eine Sogwirkung. Die ging auch an Österreich nicht spurlos vorüber. Auf Initiative von Bundeskanzler Fred Sinowatz (SPÖ) kam es zu Erleichterungen bei den Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen zu Italien und Deutschland, allerdings nur für die jeweiligen Staatsbürger/innen. Am wenige Monate später geschlossenen Schengener Übereinkommen indes konnte Österreich trotz Interesses nicht partizipieren. Es war kein EG-Mitgliedstaat, ein Kriterium des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) von 1990. Erst 1994 erhielt die Republik den Beobachterstatus, im Folgejahr trat sie dem SDÜ bei, das für Österreich im Dezember 1997 in Kraft gesetzt wurde. Seitdem gibt es auch an dessen Grenzen zu den anderen Schengen-Mitgliedern reguläre Kontrollen nur noch im Ausnahmefall (z.B. Fußball-EM 2008). Mit der sogenannten „Schleierfahndung“ wurde daher die polizeiliche Arbeit im Grenzraum gestärkt und auch die Ausgleichsmaßnahmen nach dem SDÜ griffen. Diese sehen insbesondere vor:

  • allgemein eine stärkere polizeiliche Zusammenarbeit;
  • mit dem Schengener Informationssystem zum verbesserten polizeilichen Informationsfluss ein gemeinsames EDV-gestütztes Einsatzmittel, in dem Fahndungsdatensätze zu Personen und Sachen einliegen;
  • die Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen des Schengen-Raumes zu Lande sowie in Flug- und Seehäfen nach gemeinsamen Standards;
  • eine Harmonisierung des Visa- und Ausländerrechts über eine gemeinsame Sichtvermerks- und Aufenthaltspolitik;
  • den Rahmen für grenzüberschreitende Observationen und Nacheile (Verfolgungsfahrten).

Weitere Übereinkommen, z.B. das Dublin-Übereinkommen mit Festlegungen der Zuständigkeit für Asylverfahren und bilaterale Polizeiverträge, regeln bzw. konkretisieren die Ausgleichsmaßnahmen. Mit dem Vertrag von Prüm von 2005 „über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration“, auch Schengen III genannt, wurde die Vernetzung weiter gestärkt. Den Unterzeichnerstaaten, zu denen Österreich gehört, ist der zeitnahe Zugriff auf Fahrzeug- und DNA- sowie daktyloskopische Daten gewährleistet. Weiterhin wurden Vereinbarungen hinsichtlich der Prüfung von Dokumentenechtheit, der Zusammenarbeit in den Bereichen Terrorismus bekämpfung, Luftsicherheit und Abschiebung sowie auf Ersuchen gefahrenabwehrender Maßnahmen bei Großereignissen getroffen. Damit werden für die Sicherheitsbehörden Grenzen überwunden, die auch das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit betreffen – ein sensibler Punkt, der zur Diskussion einlädt und die historisch- politische Urteilskompetenz fordert.

Das gilt auch für den Umgang bzw. die Wahrnehmung von Grenzen hinsichtlich ihrer migrations- und kriminalitätsbeeinflussenden Wirkung. Diese zentralen Motive des Grenzschutzes schürten für den Schengen-Prozess Bedenken, Ängste und Widerstände – bei Behörden ebenso wie bei einfachen Bürgerinnen/Bürgern. Zwischen realem Straftatenaufkommen und unberechtigter Kriminalitätsfurcht, zwischen starkem Migrationsdruck als Herausforderung für die Integrationskraft des Staates und Ressentiments gegen Ausländer/innen aus irrationalen oder niedrigen Beweggründen etablierte sich eine nicht widerspruchsfreie Politik mit extrem populistischen Zügen. Als der Eiserne Vorhang fiel, arbeitete die Schengen-Maschinerie bereits auf Hochtouren an der Umsetzung des Übereinkommens. Der Kollaps der autoritären Regime in den mittel- und osteuropäischen Staaten wurde politisch-ideologisch als Sieg der Freiheit verstanden. Der Wegfall hochgerüsteter Grenzsicherungsanlagen hierfür symbolisch, wie das berühmte Bild von Alois Mock und Gyula Horn beim Zerschneiden von Stacheldraht unterstreicht. Die enormen Leistungen der österreichischen Bevölkerung und Regierung bei der Betreuung und Unterstützung von DDR-Flüchtlingen erschöpften sich indes schnell. Die neue Reisefreiheit führte in Verbindung mit dem angesichts der politischen Vorzeichen nun laschen Grenzkontrollen seitens der OME-Staaten zu einem massiven Anstieg der Migrationszahlen. Nun ließ Österreich Militär aufmarschieren. Wurden Schleuser früher undifferenziert als „Fluchthelfer“ gedeutet und teilweise gefeiert, waren sie nun im Diskurs „Schlepper“. Die Möglichkeiten der Bundesgendarmerie erschienen als nicht ausreichend, weshalb im September 1990 der sogenannte Assistenzeinsatz Grenzraumüberwachung (AssE/GRÜ) des Bundesheers beschlossen wurde. Verfassungsrechtlich alles andere als unumstritten, sollte er zunächst nur wenige Wochen dauern, wurde aber zeitlich und geografisch bis Dezember 2007 fortgeführt.

Abb. 42 Aufgrund des Wegfalls der Grenzkontrollen innerhalb des Schengen Raumes kann man in der polnisch-tschechischen Doppelstadt Cieszyn-Cesky Tesin (ehemals Teschen) wieder ungehindert über die Brücke spazieren, die über den Grenzfluss Olsa führt.

Der multiperspektivische Blick auf die ersten beiden Jahrzehnte nach 1989/90 zeigt damit mehr als die Erfolge, die eine Hochglanz-Politikgeschichtsschreibung herausstellt. In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen den europäischen Staaten zunehmend diffundierten und Zusammenarbeit sowie europäische Einigung und Freiheit propagiert wurden, kam es auch zu unliebsamen Herausforderungen und entsprechend zur öffentlichkeitswirksamen Verschärfung des Grenzschutzes an den Ostgrenzen, obschon angesichts der Migrations- bzw. Schleuserrouten und hoher Aufgriffszahlen auch an der Grenze zu Deutschland solche Maßnahmen unter dem Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit Rechtfertigung gefunden hätten. Seit 1997 erfolgte der Assistenzeinsatz mit ausdrücklichem Verweis auf die besonderen Verpflichtungen im Bereich der Schengen-Außengrenzsicherung. Doch selbst als dieses Argument seit 2007 mit der Erweiterung des Raumes ohne Binnengrenzkontrollen um mehrere OME-Staaten, deren Schengen-Reife nun frappierend offensichtlich wurde, nicht mehr zu halten war, ließ Österreich nicht von der militärischen Unterstützung des Grenzschutzes ab. Bis Dezember 2011 wurde der Assistenzeinsatz Schengeneinsatz (AssE/SchE) gefahren. Es scheint, als ließen sich alte Denkmuster, die zwischen über- und unterlegen, zwischen zugehörig oder eben nicht (ganz), zwischen West und Ost unterscheiden, nicht so einfach abschütteln.

Kontrollfreiheit und Kontrollverschärfung sind dabei zwei Seiten einer Medaille, die sich nicht auf etablierte „Mental Maps“ beschränkte, sondern dem Schengen-Prozess als solchem immanent sind. Grenzkontrollen werden nur zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft, aber eben nicht völlig. De facto werden sie auf Basis eines Vertrauens in die Partner verlagert. Die Ambivalenzen sind da, werden aber zunehmend an die Peripherie des Blickwinkels gedrängt. Nachdem seit 2007 mit Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien die Nachbarn im Osten, kurz darauf mit der Schweiz (2008) und Liechtenstein (2011) auch die Anrainer im Westen zu den Schengen-Vollanwenderstaaten zählen, ist Österreich an seinen Landgrenzen komplett kontrollfrei. Dass gleichzeitig in der Wahrnehmung einiger eine „Festung Europa“ entstanden ist, kann weniger durch eigenes Erleben als vielmehr durch mediale Berichterstattung oder Partizipation am politischen Diskurs nachvollzogen werden.

In Zeiten gestiegenen Migrationsdruckes ist die Außengrenzsicherung nicht unumstritten. Einerseits existieren seit Jahren Vorwürfe, dass nicht alle Schengen-Mitglieder ihre Aufgaben hinreichend zuverlässig (und annähernd menschenwürdig) erfüllen. Griechenland und vor allem Italien stehen hier massiv in der Kritik. Als Reaktion gab es wiederholt Forderungen nach der befristeten Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen, kurzzeitig gab es sie vereinzelt sogar. Allerdings standen dahinter Symbolpolitik und Populismus. Andererseits steigen angesichts verunglückter „Bootsflüchtlinge“ und der desolaten Lage in einigen afrikanischen Staaten Forderungen nach einer Hilfs- und Willkommenskultur, die auch auf die Praxis des Grenzschutzes Auswirkungen haben. Indes sind solche Ansprüche primär an die verantwortlichen Behörden in den europäischen Staaten adressiert. Schengen selbst ist davon nur bedingt betroffen, denn es regelt die Durchführung von Kontrollen als Instrument einer Ausländerpolitik, die zwischen Zuwanderungsbedarf sowie mitmenschlicher Asylgewährung auf der einen und den Grenzen der Integrationskraft auf der anderen Seite jongliert. Sie war in vielen europäischen Staaten daher lange eine Abschreckungspolitik, wie etwa auch die Assistenzeinsätze zeigen. An sich ist sie es noch immer und wird es bis zu einem modernen Einwanderungsrecht bleiben.

Abb. 43 Schengen Raum 2015

Abb. 44 Tab. 2: Schengen und Österreich

Das lässt sich auch an der Integration und Weiterentwicklung der Schengen-Bestimmungen ablesen. Seit Inkraftsetzung des SDÜ im März 1995 gibt es nicht nur räumliche Erweiterungen, sondern auch die Überführung des Schengen-Besitzstandes in das Recht und in Teilen in die Zuständigkeit der EU, die durch den Vertrag von Amsterdam (1997, in Kraft 1999) erfolgt ist. Seine Weiterentwicklung wurde etwa mit dem Schengener Grenzkodex (EU-Regeln für den Grenzübertritt) von 2006, jüngst aber auch durch die Reformen von 2013 betrieben. Aufgrund anhaltender Diskussionen und eines Kompetenzgerangels zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten wurden Regeln beschlossen, mit denen die europäischen Institutionen gestärkt wurden. Das Europäische Parlament hat Anrecht auf eine stärkere Unterrichtung, die Kommission wird in die Evaluation der Grenzsicherung einbezogen. Die Mitgliedstaaten indes behalten nach wie vor ihre starke Position. Sind öffentliche Sicherheit und Ordnung in Gefahr können sie auf vorrübergehende Grenzkontrollen zurückgreifen, ebenso ist ihre Zustimmung zu Änderungen der Schengen-Regeln erforderlich. Da das Gewaltmonopol und die Hauptlasten bei ihnen liegen, ist das auch sinnvoll. Am stärksten im Fokus der Öffentlichkeit stand aber eine andere Bestimmung, nämlich die Ultima Ratio- Option: Bei einem längerfristigen Versagen der Außengrenzsicherung (mehr als 3 Monate) kann der Ministerrat auf einen Kommissionsvorschlag hin die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen bis zu zwei Jahren zulassen.

Mit der Reform ist vorübergehend vergleichsweise Ruhe eingekehrt. Zuvor waren Forderungen nach Grenzkontrollen schnell Streitthema und eine Spielwiese von Populisten jeglicher Couleur. Die einen wollten sie als vernünftige Reaktion auf objektive Probleme aufgrund eines populistischen law and order -Profilierungsstrebens, teilweise gar auch wegen des Fischens von Wähler/innenstimmen am rechten Rand der Gesellschaft oder einer entsprechenden Gesinnung. Die anderen bemühten reflexartig das Bild von der Axt, die an die Schengen-Errungenschaften oder gar Europa selbst gelegt werde, und verkannten Bemühungen um ein Fortschreiten der Integration und eine Verbesserung der Schengen-Bestimmungen ebenso wie Hinweise auf wirtschaftliche Kosten und eine potentielle Überforderung der Bevölkerung durch Migration.

Es sind diese widerstreitenden Positionen, die Schengen so fruchtbar für den Erwerb und die Vertiefung historischer bzw. politischer Kompetenzen machen. Sie können durch Multiperspektivität und eine geeignete Quellenbasis dekonstruiert werden. Eine Beschränkung auf eine Rekonstruktion des Schengen-Prozesses im Sinne einer einseitigen Erfolgsgeschichte ist jedenfalls weniger vielversprechend als die Nutzung der aktuellen Situation, die von Schülerinnen/Schülern medial oder durch eigenes Reisen erlebt wird: An einigen Grenzen gibt es Schlagbäume, an anderen nicht. Manchmal wird an den Grenzen des eigenen Staates wegen Sport- und Politikereignissen kontrolliert, aber nur vorrübergehend. Menschen wollen nach Europa, sind aber teilweise unerwünscht. Menschen brauchen Hilfe, scheitern aber an einem Grenzregime, das einige als „Festung“ bezeichnen. Das fordert die Sachkompetenz ebenso wie die Frage- und Urteilskompetenz heraus und kann für historisch-politisches Lernen nutzbar gemacht werden. Angesichts des vorerst weiter zu erwartenden Anstiegs an Migrantinnen/Migranten und der prognostizierten Reisendenzahlen – um 2030 werden 700 Millionen Grenzübertritte im Jahr erwartet – wird das Thema Grenzsicherheit jedenfalls nicht so schnell an Bedeutung verlieren.

 

LITERATUR

Baumann, Mechthild (2006). Der deutsche Fingerabdruck. Die Rolle der deutschen Bundesregierung bei der Europäisierung der Grenzpolitik. Baden-Baden: Nomos.

Brait, Andrea; Pudlat, Andreas (2012). Mentale Barrieren. Österreich, die EU und der Osten. In: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, Vol. 1, 4, 38–45.

Pudlat, Andreas (2015). Kriminalitätsbekämpfung und Migrationskontrolle in Zeiten des Umbruchs. Zum Grenzschutz in Österreich seit 1989. In: Tagungsband zum 26. Österreichischen Historikertag 2012 (erscheint 2015).

Pudlat, Andreas (2014). Kriminalitätsbekämpfung in Zeiten offener Gren- zen. Österreichs Grenzräume im kriminalstrategischen Spannungsfeld. In: Brait, Andrea; Gehler, Michael (Hg.). Grenzöffnung 1989: Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich. Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 263–281.

Pudlat, Andreas (2014). Grenze(n) im Wandel. Zum Grenzschutz und Grenzbewusstsein seit 1945. In: Österreich und der Epochenbruch 1989 in Ostmitteleuropa. Politiken und Wahrnehmungen, Zeitgeschichte: Vienna University Press, Vol. 41, Nr. 3, 136–149.

Pudlat, Andreas (2013). Schengen. Zur Manifestation von Grenze und Grenzschutz in Europa. Hildesheim/Zürich/New York: Olms.

Taschner, Hans Caudius (1997). Schengen. Die Übereinkommen zum Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen von EU-Staaten. Baden- Baden: Nomos