Politische Plakate


Klaus Edel

1. Das Plakat als (zeit-)historische Quelle

"Moderne Kommunikationsmittel verleihen Macht. Druck, Telefon, Radio und so weiter erlauben es, strategische Überlegungen und technische Anweisungen an eine Vielzahl miteinander verbundener Zentren zu vermitteln und von dort Antworten zu erhalten. So entsteht ein effektiver Diskurs, der politischen Meinungsbildungsprozessen eine völlig neue Dimension eröffnet. Gedanken und Worte erhalten nun eine Wirkung, die größer ist als die Macht jeder Einzelpersönlichkeit und stärker als jedes Partikularinteresse.“ (H.G. Wells. In: Bernays 2 2009, 21f)

H. G. Wells hat in einem Artikel in der N. Y. Times im Jahr 1928 die Möglichkeiten moderner Kommunikation vorausahnend beschrieben. Plakate werden in großer Zahl und über einen längeren Zeitraum an Plakatwänden, Litfaßsäulen, Bauzäunen, Häuserwänden, Mauern affichiert mit dem Ziel, eine möglichst große Zahl von Adressat/innen zu erreichen. Sie sind dabei nicht bloß Bilder oder Kunstwerke, sie dienen mit ihren stilistischen Besonderheiten ganz bewusst einem Zweck. Sie sollen informieren, werben, Zustimmung heischen, Gegner/innen diffamieren, zur Aktion bewegen – sie sind ein Mittel der Propaganda. Damit sie auch die flüchtigen und uninteressierten Betrachter/innen erreichen, müssen sie Aufmerksamkeit hervorrufen. Kaum ein anderes Werbemedium muss so schnell auf die Betrachter/innen wirken wie das Plakat, denn für ein beispielsweise an einer städtischen Hauptverkehrsroute affichiertes Plakat haben vorbeifahrende Autofahrer/innen nur wenige Sekunden Zeit, es wahrzunehmen und zu verstehen. Entsprechend auffällig, eingängig und wirkungsvoll muss es gestaltet sein. (Vgl. Sauer 2007, 1; innovation marketing 2004; Artinger 2000, 15)

1.1 Thematische Gliederung

Zwei thematische Großgruppen von Plakaten lassen sich unterscheiden: Werbeplakate und politische Plakate.

Werbeplakate kommen aus dem Bereich der kommerziellen Werbung, der Kultur- bzw. Unterhaltungsbranche. Wer potenzielle Besucher/innen und Kund/innen ansprechen will, muss deren Selbst- und Leitbilder treffen, anders hat er mit seiner Werbung keinen Erfolg. Deshalb kann man davon ausgehen, dass sich zeittypische Interessen, Haltungen, Bedürfnisse und Sehnsüchte in Werbeplakaten(1) recht zuverlässig spiegeln. (Vgl. Sauer 2006, 3) Sie sind als Quelle für die Kultur-, Sozial-und Wirtschaftsgeschichte von Interesse.

Politische Plakate dienen der schnellen und prägnanten Darstellung von Inhalten und Personen, die insbesondere in Zeiten von Wahlen eine Rolle spielen. Sie werden quasi im Vorbeigehen/-fahren erkannt und rezipiert. (Vgl. Jandl 2005, 19) Die Besonderheit bei politischen Plakaten liegt darin, dass bei ihnen verdichtet und pointiert eine zeitgenössische Perspektive, ein Programm, ein Werturteil oder eine Ideologie zum Vorschein tritt. Für die Vermittlung dieser Inhalte werden bewusst bildliche und sprachliche Mittel eingesetzt, die in knapper und einprägsamer Form auf Wirkung abzielen und Werthaltungen ausdrücken. Feindbilder werden gezeichnet, Bedrohungssituationen inszeniert. Plakatbotschaften haben einerseits die Stammwähler/innen der eigenen Partei im Blickfeld, andererseits können die Adressat/innen auch Neuwähler/innen bzw. Wechselwähler/innen, Unzufriedene (anderer Parteien) oder Unentschlossene sein. (Vgl. Czuray et al. 2005, 2)

Zukunftsweisende Aspekte stehen neben Hinweisen auf erbrachte Leistungen der eigenen Partei. Spitzenkandidat/innen werden mit positiven Eigenschaften versehen, ihr Porträt wird mit einem spezifischen Hintergrund zu einer imagebildenden Botschaft vereint. Wahlplakate sind Kurzassungen und Arrangements politischer Botschaften. Farben und Symbole sind dabei niemals zufällig gewählt.

Alle diese Informationen lassen sich anhand von Plakaten einfacher und eindrücklicher untersuchen als anhand programmatischer Schriften. Hinzu kommt, dass sich nicht nur Überzeugungen und Meinungen, sondern auch Wir kungsabsichten anhand dieser Quellen besonders gut nachvollziehen lassen. (Vgl. Sauer 2007)

Abb. 45 Litfaßsäule Wien

Abb. 46 NS Propagandaplakat in Frankreich

Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begonnene Aufstellung von Litfaßsäulen als Werbeträger in den Städten begleitete den Weg der politischen Plakate, sie entsprachen ideal der Intention des Mediums. Politische Plakate wollen zu Inhalten und Personen insbesondere während Wahlkämpfen oder der Kampagne für ein bestimmtes politisches, soziales oder ökonomisches Anliegen den zufälligen Betrachter/innen, den Parteigänger/innen, aber auch den Fernstehenden oder Unentschlossenen in dem kurzen Moment des Betrachtens leicht einprägsame Botschaften vermitteln. Sprache wird dabei instrumentalisiert und Bildsymbole müssen von den Adressat/innen entschlüsselt werden können. Nur wenn alle verwendeten Elemente des Plakats in der Kombination verstanden werden, können sie auch tatsächlich werbewirksam sein. Gerade im Unterricht erschwert diese Erkenntnis das Entschlüsseln historischer Plakate, da sich das Verständnis von Sprache und Symbolik gewandelt hat.

Politische Plakate können, wenngleich nicht immer trennscharf, weiter differenziert werden in:

  • Wahlplakate, die ein Instrument des Wettbewerbs der politischen Parteien um die Gunst der Wähler/innen darstellen. Um diesen Typ von Plakaten geht es primär im fachdidaktischen Teil dieses Heftes.
  •  

  • Propagandaplakate, die der Auseinandersetzung mit den Gegner/innen, insbesondere im Krieg oder im ideologischen Kampf, dienen.
  •  

  • Sozialkritische Plakate, die gesellschaftliche Missstände anprangern. (Vgl. Sauer 2007, 2

1.2 Die Wirkung von Plakaten

Eine Werbeagentur beschreibt die Wirkung von Plakatwerbung folgendermaßen:(2)

Bis zu 3.000 Werbebotschaften wirken täglich unbewusst auf uns ein!"

  • Jeder wird täglich mit 2.000 bis 3.000 (Werbe-)Botschaften konfrontiert.
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  • Eine Anzeigeseite wird weniger als 2 Sekunden betrachtet.
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  • Ein Plakat gar nur zwischen null und 2 Sekunden.
  • Von hundert TV- und Rundfunkspots werden zwei oder drei bewusst wahrgenommen.
  •  

  • Im besten Fall können zehn bis zwanzig Werbebotschaften am Tag bewusst wahrgenommen werden.
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  • Aber auch nur fünf bis sechs wecken Interesse und zwei bis drei lösen irgendetwas im Kopf aus“ (innovation marketing 2004)

Diese Zahlen belegen, welch intensiver Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der potentiellen Empfänger/innen dieser Botschaften existiert. Politische Plakate wollen mit ihren optischen und verbalen Botschaften möglichst viele Menschen überzeugen und zu entsprechendem politischen Handeln, wie z.B. Stimmabgabe für eine bestimmte Partei oder eine Kandidatin/einen Kandidaten, motivieren bzw. aktivieren. Daher haben Analyse der Adressatinnen/Adressaten, fachliches Know - how und insbesondere Kreativität höchste Priorität bei der Erreichung dieses Ziels. (Vgl. innovation marketing 2004)

Adressatinnen/Adressatenanalyse

Ein gutes Plakat kann den Menschen für einige Sekunden ganz in seinen Bann ziehen, ihn seine Umwelt für einen Augenblick vergessen lassen. (Vgl. Artinger 2000, 15) Dazu ist es notwendig, einerseits die verschiedenen Gruppen von Menschen, wie Stammwähler/innen, politisch Unentschlossene, Neu- und Jungwähler/innen, die erreicht werden sollen, zu identifizieren und andererseits ihre Selbst- und Leitbilder zu verifizieren, damit sie bei einer Variation der Plakate mit jeweils spezifischen Botschaften angesprochen werden können.

Knowhow

Abb. 47 Wirkung durch Farbe und griffige Formulierung

Abb. 48 Wirkung durch künstlerische Gestaltung

Die Chance, dass ein Plakat wahrgenommen wird, hängt von seiner Botschaft ab. Sie soll kurz, verständlich und prägnant sein ( KISS= Keep it short and simple). Zu viel Text ist wirkungslos, denn er wird nicht aufgenommen. Sprache beeinflusst und lenkt die Meinung der Wähler/innen. Die Aussage muss der Betrachterin/dem Betrachter „aus der Seele sprechen“. Ebenso wesentlich erscheint das Setzen eines starken optischen Signals, welches beispielsweise durch besondere Farbgebung oder auffällige (künstlerische) Gestaltung erzielt wird. Die Absenderin/der Absender der Botschaft muss für die Betrachter/innen klar identifizierbar sein und daher gilt es auch bei allen notwendigen oder als notwendig erachteten Variationen, markante Grundzüge des visuellen Erscheinungsbildes beizubehalten. Die suggestive Wirkung der Kommunikation verläuft in drei Schritten: Erstens muss der Aussage Aufmerksamkeit, beispielsweise durch eine auffallende Darstellung, einen Blickfang, entgegengebracht werden, damit die Botschaft überhaupt wahrgenommen wird. Die Rezipientinnen/Rezipienten müssen zweitens das Übermittelte verstehen können, damit dem Inhalt auch Bedeutung zugeschrieben wird, um letztlich in der Verbindung von Aufmerksamkeit und Verstehen die eigentliche Aufnahme der Aussage zu ermöglichen. (Vgl. innovation marketing 2004; Jandl 2005, 42f; Prinz 1996, 43–90; Sauer et al. 2008)

Kreativität

Kreative Persönlichkeiten haben die Fähigkeit, sich von traditionellen und konventionellen Vorstellungen und Anschauungen zu lösen und etwas Neues zu schaffen. Kreative Texte und Bildgestaltungen basieren vor allem auf dem Wissen über den Markt, über die Verbraucher/innen und über die Qualität von Produkt und Angebot. (Vgl. Bramberger et al. 2008; innovation marketing 2004; Prinz 1996, 83)

Bildgestaltung

Hinsichtlich der Platzierung der Bilddetails auf der Bildfläche ist darauf zu achten, dass die wichtigsten Elemente, wie (Partei)Logo, Kernaussagen oder Fotos von Politiker/ innen in der oberen Hälfte des Plakats angeordnet werden, da unter Umständen der untere Teil durch parkende oder vorbeifahrende Autos, Container etc. zeitweilig oder dauerhaft verdeckt wird. Daher ist auch die Entscheidung für eine gut gestreute Auswahl der Plakatstandorte(3) etwas ganz Wesentliches. (Vgl. innovation marketing 2004; Jandl 2005, 42f; Prinz 1996, 43–90; Sauer et al. 2008, Wahlplakat 1)

1.3 Reichweite von Plakaten

Abb. 49 Reichweite

Plakate "wirken" 24 Stunden am Tag und erreichen die Adressat/innen oft mehrmals täglich. Eine entsprechende „Streuung“ erhöht diesen Faktor. Die Reichweite als Referenzgröße gibt den Anteil der Zielpersonen an, die durch einen Werbeträger oder eine Werbeträgerkombination erfasst werden.(4)

Die für Österreich in der Literatur vorhandenen Daten über die Reichweite von Wahlplakaten wirken schon etwas angegraut, denn es wird immer noch 1999 (!) im Vergleich zu 1962 zitiert und die ungebrochen hohe Reichweite der Plakate betont. Andererseits erklärten bei einer Umfrage anlässlich der Nationalratswahl von 1999 nur 3% der Befragten, dass sie ihre Wahlentscheidung aufgrund eines Wahlplakats getroffen hätten, obwohl das Wahlplakat laut einer Analyse 87% Reichweite gehabt haben soll, nur übertroffen vom Fernsehen mit 89% Reichweite. 1962 hatten – im Vergleich zu der Analyse von 1999 – Wahlplakate 76% Reichweite und Fernsehen 23%. (Wirth 2008, Fußnote 1) Auch Hans Werner Scheidl unterstreicht die Bedeutung von Wahlplakaten, indem er in seiner Serie „Die Welt bis gestern“ in der Presse titelt: „Politische Plakate: Sauteuer – aber es wirkt. Nur bewegte Bilder im Fernsehen sind noch eindrucksvoller. Die Affichierung ist ein Luxus – sie dient hauptsächlich der Motivation der eigenen Funktionäre.“ (Scheidl 2008)

Die wesentlich aktuellere Untersuchung aus dem Jahr 2009 für die Wahl zum Deutschen Bundestag, bei der auch die Wirkung der „Neuen Medien“ miteinbezogen wurde, bestätigt die weiterhin große Reichweite der Plakate, insbesondere gegenüber den vergleichsweise bescheidenen Zahlen in Bezug auf Internet, E-Mails oder SMS. Es ergaben sich folgende Werte für den Anteil der Befragten, die Kontakt mit dem jeweiligen Werbemittel bekundeten.

Ein Verzicht auf Wahlplakate würde eine fehlende Präsenz der wahlwerbenden Parteien im Stadt-/Ortsbild bedeuten. Sie signalisieren in der Startphase den Passant/innen, dass die jeweilige Partei startklar sei und hebt, wie schon im weiter oben angeführten Zitat deutlich gemacht wurde, die Motivation der eigenen Funktionärsschicht und Helfer/innen. Absenz im Straßenbild würde in den Köpfen der Wähler/innen das Bild erzeugen, dass die betroffene Partei den öffentlichen Raum den Mitbewerber/innen kampflos überlassen habe. (Vgl. Scheidl 2008)

1.4. Wahlplakate als (zeit)historische Quelle

Plakate sind geschichtliche Quellen, die es lohnen, im Unterricht eingesetzt zu werden. Mit der Entwicklung neuer Schulbuchformen in den 70er-Jahren und vor allem durch die Verwendung des Farbdrucks, finden sie in die Geschichtsbücher Eingang, doch waren die verwendeten Formate für eine Analyse wenig geeignet. Einen weiteren Mei - lenstein des Zuganges bedeuteten die Foliensammlungen, die das Unterrichtsministerium herausbrachte und die an vielen Schulen noch vorhanden sind. Letztlich machten es aber erst die „Neuen Medien“ möglich, Plakate problemlos im Unterricht mit den unterschiedlichsten methodischen Zugängen zu verwenden. (Vgl. Edel 2011; Frick 2009, 13)

Um Plakate als historische Quelle „lesen“ bzw. nutzen zu können, ist es jedoch notwendig, Hintergrundinformationen über die Geschichte der Epoche, die soziale und ökonomische Situation, Wahlkämpfe, Parteien, das Medium (Wahl-)Plakat, die Funktionen des (Wahl-)Plakats sowie seine Bedeutung im jeweiligen Medienmix (Vgl. den Abschnitt Reichweite, S. 53) zu recherchieren.

Politische Plakate spiegeln:

Abb. 50 1. Mai 1950 SPÖ

Politische Plakate spiegeln:

  • die politischen Ereignisse eines Landes, insbesondere jene der Innenpolitik. Als Beispiele seien das Ringen um den Staatsvertrag oder in jüngster Zeit die Thematisierung der Ausländer/innenfrage durch die FPÖ erwähnt.
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  • wichtige Epochen, Weggabelungen der Geschichte dieses Landes.
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  • zeitgenössische Perspektiven.
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  • (Partei)Programme.
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  • die Ideologien der Zeit.
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  • Werturteile.
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  • die Entwicklung von Parteien. Sie erinnern an Aufwärtsentwicklungen und Höhepunkte ebenso wie an den Niedergang im Wandel der Zeit sowie an damit in Verbindung stehende Persönlichkeiten. Sie rufen die wichtigsten politischen und programmatischen Inhalte in den Wahlkämpfen der Parteien ins Gedächtnis und sind somit aufschlussreich für die politische Kultur dieses Landes.
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  • die Entwicklung von Politiker/innen. Wie verändert sich beispielsweise ihre Präsentation? Welche Eigenschaften, Kompetenzen werden betont, unterspielt oder gar weggelassen?
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  • die politische Kultur eines Landes. Sie geben Auskunft über den politischen Standpunkt einer Partei, ebenso über die Art und Weise, mit der die Auseinandersetzungen mit den politischen Gegner/innen geführt, welche Strategien und Lösungsansätze bei sozialen und/oder ökonomischen Konflikten angeboten wurden.

Visuelle Botschaften

Ein wichtiger Punkt bei der Analyse von Wahlplakaten ist die Wirkungsabsicht. Dazu müssen Form und Inhalt gemeinsam betrachtet werden. Wichtig ist es dabei, den Schüler/innen klar zu machen, dass sich ihre Sichtweise durch ihren aktuellen Medienumgang und ihre aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Situation wesentlich von jener der ursprünglich angesprochenen Wähler/innen unterscheidet.

Für die Erste Republik und auch noch für die ersten Wahlgänge nach der Wiedererrichtung der Republik galt, dass die Gegner/innen mit drastischen Mitteln verunglimpft wurden. Die Plakate, damals noch von Plakatzeichner/innen entworfen, vermittelten Horrorszenarien, die zeigen sollten, was passiert, wenn die politischen Konkurrent/innen an die Macht kämen. Einen Eindruck dieser so gestalteten visuellen Botschaften, die noch durch entsprechend prägnante Slogans gestützt wurden, vermitteln die beiden Plakate von 1949 und 1953.

Die aktuellen Wahlplakate mit ihrem Fotorealismus orientieren sich stärker an den Bildvorstellungen der aktuellen Werbegrafik, wobei der Einsatz von Grafik-Softwareprogrammen die Möglichkeiten der Gestaltung und Bildbearbeitung ganz wesentlich erweitert haben. Die visuellen Botschaften erscheinen im Vergleich zu den Gebrauchsgrafiken eher simpel gestaltet. Dabei werden, um ein Maximum an Massenwirkung zu erreichen, (Vgl. Schindelbeck 2009, 2) Bild- und Textwirkung getestet, bevor die Plakate zum Einsatz gelangen. Erfolgversprechend gilt die Verwendung assoziationsreicher, emotional positiv besetzter Bilder mit einem ausgewogenen Kontrastverhältnis. Freundliche und leuchtende Farben kommen besser an als schrille und grelle. (Vgl. Krebs 2011)

Ein methodischer Leitfaden zum Umgang mit Plakaten findet sich in der Zeitschrift Politik und Unterricht (Frick 2009 1f, 18), didaktische Umsetzungsvorschläge finden Sie in diesem Heft ab S. 59 bzw. als pdf.

 

2. Wahlplakate im Wandel der Zeit

Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten auch in Österreich die mediale Präsentation der Parteien durch die steigende Bedeutung des Fernsehens nach 1970 sowie im 21. Jahrhundert durch den Einsatz der Neuen Medien mehr aufgefächert hat, so ist doch noch immer, besonders in Wahlkampfzeiten, das Plakat dominant. Österreich zählt dabei zu den plakatreichsten Ländern Europas. (Vgl. Wirth 2006) Im Längsschnitt lassen sich anhand von Plakaten beispielsweise die Entwicklung einer Partei, ihre Einstellung zu immer wiederkehrenden Themen, aber auch zeittypische Veränderungen der Gestaltungsmittel ablesen. (Vgl. Sauer 2006, 8)

Abb. 55 NR Wahlen 1949 (Aktivierungsfunktion)

Abb. 56 Kopfplakate mit einfachen Slogans - Mock

Abb. 57 Kopfplakate mit einfachen Slogans Vranitzky

Bei einer historischen Betrachtung von Wahlplakaten in einem Längsschnitt seit dem Beginn der Ersten Republik zeigt sich, dass die Funktion des Mediums vielseitiger geworden ist. Einzelne Bedeutungen wurden zurückgedrängt, andere sind in den Vordergrund getreten. Zu den primären Funktionen des Wahlplakats gehört die Information der Bürger/innen, dass eine Wahl stattfinden wird (Aktivierungsfunktion). Indem die Plakate zeigen, wofür eine Partei eintritt und welche Personen dafür stehen, dienen sie als Motivationshilfe für die eigenen Mitarbeiter/innen und gleichzeiig als Abgrenzung und Demotivationsmittel gegenüber den Konkurrent/innen und möchten die Wähler/innen zu ihren Gunsten ansprechen (Integrations- und Identifikationsfunktion). Die Bildimpulse und Slogans dienen weniger der Information als der Steuerung und Verstärkung der Meinungs- und Imagebildung bei den Adressat/innen. (Verstärkerfunktion). Wahlplakate sind aber auch ein hoch wirksames Mittel der politischen Positionierung und Beeinflussung sowie ein Instrument zur Realitätskonstruktion. (Vgl. Wirth 2006)

Ein deutlicher Wandel bei Wahlplakaten ist in der Grafik festzustellen. In der ersten Republik und noch in den 50er- Jahren waren es Gebrauchsgrafiker/innen,(5) die die Sujets gestalteten. Die Gebrauchsgrafik kann etwas leisten, was ein Foto nicht vermag, nämlich die Vermittlung von Utopien und Visionen. (Vgl. Schindelbeck 2009, 4) Es folgte die Ära des Fotorealismus, die im 21. Jahrhundert mehr und mehr von der Computergrafik abgelöst wurde. Nach dem Ende der Gebrauchsgrafik begann mit ca. zehnjähriger Zeitverschiebung die Beauftragung von Werbeagenturen für die Gestaltung von Wahlplakaten und damit ist in den Augen vieler Bürger/innen die Professionalisierung in der Massenkommunikation erreicht worden. Formal blieben die Text- und Kopfplakate bestehen, doch in der letzten Phase des Wahlkampfes dominierten Kopfplakate mit leicht einprägsamen Slogans, beispielsweise die der Nationalratswahl 1999 „Der richtige Weg ins 21. Jahrhundert“ (SPÖ, Viktor Klima) oder „Der bessere Weg“(ÖVP, Wolfgang Schüssel). (Vgl. Schindelbeck 2009, 5)

Zieht man ein Resümee, was sich im Laufe des fast hundertjährigen Betrachtungszeitraums verändert hat, so zeigt sich, dass die Plakatierung von Personen in der ersten Republik ein Bestandteil des negativen Feindbilddiskurses war, während nach 1945 die Personalisierung einer positiven Selbstdefinition in der Imagepolitik der Parteien diente. Gleichzeitig kam der Personalisierung im Wahlkampf eine ständig steigende Bedeutung zu, indem Nationalratswahlen zu Kanzlerwahlen(6) stilisiert wurden. (Vgl. Wirth 2006b)

Einen interessanten Aspekt stellt der Österreichbezug dar, der bei den Nationalratswahlen von 1945 bis 2002 stets anzutreffen war. In der Identitätskonstruktion von Linksparteien spielte das zeitliche Narrativ(7) (Utopie/Vision) eine große Rolle, während für traditionalistisch-konservative Parteien ein räumliches Narrativ typisch war. (Vgl. Wirth 2006c) Das Rot-Weiß-Rot der österreichischen Fahne wurde zu einem fixen Symbol bei allen folgenden Wahlkämpfen. Zu diesem Ansatz passt, dass sich die konservative ÖVP als „Österreich-Partei“ definierte und daher der Österreichbezug bereits 1945 in Wort und Bild anzutreffen war.

Für die SPÖ, die ihre Identität mit der Republikgründung beginnen ließ, schien daher Rot-Weiß-Rot, das aus der Zeit der Babenberger hergeleitet wurde, ungeeignet. Erst ab den späten 50er-Jahren tauchte in der SPÖ der Österreichbezug auf. In den 70er-Jahren wurde Rot-Weiß-Rot in das Logo integriert. Anlässlich der Nationalratswahl 1990, ein Jahr nach der Abgabe des Beitrittsgesuches zur EG, hat die SPÖ ihr Logo erweitert und der rot-weiß-roten Fahne und dem weißen Schriftzug SPÖ noch die blaue Europafahne(9) mit den zwölf goldenen Sternen hinzugefügt, womit die Partei gegenüber der ÖVP, die bis dahin als Europa-Partei identifiziert wurde, aber nie das Europasymbol aufgenommen hatte, punktete. 1999 hat die SPÖ auf den Wahlplakaten zur Nationalratswahl eine neuerliche Wende vollzogen. Der Europabezug ist verschwunden und Rot-Weiß-Rot ergibt sich aus dem weißen Schriftzug SPÖ auf rotem Grund. (Vgl. Wirth 2006c; Wirth 2006b; Wirth 2006d)

dgpb © Klaus Edel

LITERATUR

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