Umweltgeschichte


Irene Ecker, Klaus Edel, Alfred Germ, Bettina Paireder, Hanna-Maria Suschnig

1.Konzeptive Überlegungen zur Gestaltung didaktischer Szenarien

Abb. 85 konzeptive Überlegungen

Umweltgeschichte beschäftigt sich als wissenschaftliche Disziplin mit Umweltbedingungen in der Vergangenheit und ist daher für die empirische Erhebung von Daten auf ein naturwissenschaftliches Instrumentarium angewiesen, für die Interpretation der in diesem Zusammenhang gewonnenen Fakten sind jedoch historische Arbeitsweisen nötig. Aspekte der Umweltgeschichte eignen sich daher besonders für fächerverbindenden Unterricht.

Unterrichtseinheiten zu Umweltgeschichte im Rahmen der Politischen Bildung setzen an den individuellen Erfahrungen und Vorausurteilen der Lernenden an und bieten durch die Beschäftigung mit diesem Themenfeld Gelegenheiten, neu gewonnene Erkenntnisse in ihre Vorstellungen und Annahmen aufzunehmen und damit ihre kognitiven Strukturen zu verändern. So kann es gelingen, ein reflektiertes Verhältnis zu Politik und Umwelt zu entwickeln, das sich nicht mehr an naiven Alltagserfahrungen orientiert, sondern auf den Erkenntnissen aus der Arbeit mit naturwissenschaftlichen, historischen und politischen Aspekten aufbaut, d.h. theoretisch und methodisch fundiert ist. Wenn Schüler/innen erkennen, dass die eigenen Meinungen und Positionen zu Umweltfragen und die von anderen wesentlich vom jeweiligen Sozialisationsprozess geprägt sind, können sie auch ein selbstreflexives Umweltbewusstsein entwickeln.

Eine Implementierung umweltgeschichtlicher Themen im Rahmen des historisch-politischen Unterrichts ist aufgrund des interdisziplinären Charakters der Umweltgeschichte daher auf eine mehrdimensionale Konzeption und auf problemorientierte Fragestellungen angewiesen. Die folgenden Unterrichtsbeispiele knüpfen an die Lebenswelt der Schüler/innen an und zeigen auf, in welcher Weise Umweltpolitik – früher wie heute – Einfluss auf ihr Leben hatte bzw. hat. Damit soll den Schülerinnen/Schülern auch bewusst werden, dass es abzuwägen gilt, ob die Argumente der Naturwissenschaften und der Technik nicht im Hinblick auf die Umwelt manchmal in Frage zu stellen sind und gerechte Ressourcenverteilung und Nachhaltigkeit unbeschränktem, materiellem Wirtschaftswachstum vorzuziehen sind.

  • Umweltgeschichte als politisch bildendes Thema beschäftigt sich mit den Basiskonzepten Knappheit und Macht, konkret mit dem Umgang mit Ressourcen und verschiedenen Formen von Konfliktaustragung und politischer Partizipation.
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  • Umweltgeschichte ist praxisorientiert, Umweltwissen über Geschichte, Gegenwart und Zukunft kann zur Veränderung von Einstellungen führen.
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  • Menschliche Eingriffe basieren auf der jeweiligen Wahrnehmung von Natur. Daher wird in der Dekonstruktion von historischen Quellen und Medienerzeugnisse der Gegenwart thematisiert, welchem Wandel die Definitionen und Sichtweisen von Umwelt ausgesetzt waren und sind.
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  • Die Umwelt betreffende Entscheidungen oder Veränderungen konnten und können für politische Zwecke instrumentalisiert werden.
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  • Nachhaltigkeit im Sinne von Oszillieren zwischen ökologischem Gleichgewicht, ökonomischer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit stellt Grund- und Menschenrechte zur Debatte.
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  • Der Zusammenhang zwischen Wertvorstellungen, Interessen und Bedürfnissen sowie Wirtschaftsordnungen liegt dem Basiskonzept Gemeinwohl zugrunde und kann anhand von umweltpolitischen Dilemmata bearbeitet werden.

 

2. Implementierung des Kompetenzmodelles

Abb. 86 Umwelt-Alltagserfahrungen

Schüler/innen sind in ihrer Alltagserfahrung mit dem Phänomen der Umwelt auf verschiedenen Ebenen konfrontiert, Themen wie Ernährung, Mülltrennung, Mobilitätsverhalten oder der Umgang mit extremen Witterungsentwicklungen prägen den Alltagsdiskurs. Schüler/innen entwickeln in diesem Umfeld eigene Entwürfe, so genannte Konzepte, die sozialisationsbedingtan ihre Vorerfahrungen, Vorannahmen und (Vor-)urteile gekoppelt sind. Konzeptuelles Lernen in der Politischen Bildung setzt bei diesen Vorstellungen an, ohne sie zunächst zu werten. In der Auseinandersetzung mit den anderen Lernenden können sie ihre Konzepte auf der Basis ihres historischen und politischen Wissens artikulieren und weiterentwickeln, was wiederum zu einer Stärkung der historischen und politisch bildenden Kompetenzen führt.

Für viele Schüler/innen ist der unmittelbare Kontakt mit „Umwelt“ Teil ihrer Erfahrungswelt. Hier kann leicht an Vorwissen und Voreinstellungen der Schüler/innen angeschlossen werden. Diese Dimension, begleitet von Verunsicherung und Identitätsfragen, ist der Ansatzpunkt für die historische Fragekompetenz. Schüler/innen sollen aus ihrer gegenwärtigen Erfahrungswelt mit „Umwelt“ Fragen an die Geschichte stellen und Antworten für die gegenwärtige Situation erhalten. Sie sollen befähigt werden, die gegenwärtige globale Entwicklung von Umwelt- und Klimafragen verstehen und begreifen zu lernen. Die historische Orientierungskompetenz soll Hilfestellung bieten, dass ein Leben in Zukunft eines Nachhaltigkeitsverständnisses bedarf. Zur Vermittlung von Sachkompetenz bieten sich konzeptionelle Vorstellungen zum Bereich Umwelt, Wirtschaft und Macht an.

Die didaktischen Prinzipien der Multiperspektivität und Kontroversität stehen aufgrund der thematischen Fokussierung bei den Unterrichtsmodellen, die in diesem Themendossier angeboten werden, stets im Vordergrund. Insbesondere bei der Ausbildung von politischer Urteilskompetenz im Zusammenhang mit Umweltthemen darf es zu keinem moralisierenden Politikunterricht kommen, und es ist darauf zu achten, dass die Schüler/innen auch an diesen Beispielen die Unterscheidung zwischen Vor-, Vorausurteilen und Urteilen lernen.

Zur Diagnose von unterschiedlichen Formen von Umweltbewusstsein bietet das Themendossier Umweltgeschichte Arbeitsaufträge zum eigenen Mobilitäts-, Energie- und Konsumverhalten an. Bereits hier kann an die De- und Rekonstruktionskompetenz historischen Lernens angeschlossen werden, indem Begriffe wie Fortschritt, Wohlstand, Technik, Konsum thematisiert und analysiert werden. Die De- und Rekonstruktion sowohl aktueller als auch historischer Zeugnisse von Umwelt, Umweltpolitik und Umweltbewegungen kann im Sinne historisch-politischen Lernens mit der politischen Methodenkompetenz zusammengeführt werden. Dabei geht es um die Analyse fertiger politischer Manifestationen in Gedenktafeln, Zeitungsartikeln, Radioberichten oder Werbeplakaten.

Politische Handlungskompetenz kann vor allem im Austragen von Konflikten geübt werden. Die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit NGOs oder anderen Institutionen, die sich der Umweltpolitik angenommen haben, soll jedenfalls angebahnt und auch an konkreten Beispielen praktiziert werden. Umweltgeschichte eignet sich ferner sehr gut zur Aktivierung von Empathiefähigkeit. Die Schüler/innen sollen in Rollenspielen Empfindungen, Ängste oder zumindest Betroffenheit von Menschen verspüren lernen, die durch Raubbau, Ressourcenverbrauch und Umweltzerstörung davon betroffen sind.

Die Vielfalt an Themenstellungen, die mit dem Bereich „Umwelt“ sowohl in einer historischen als auch aktuellen Perspektive verbunden sind, eignet sich im schulischen Kontext gut für Portfolioarbeit(1) und das Erstellen von Vorwissenschaftlichen Arbeiten.(2)

 

3. Lernziele

Abb. 87 Medienprodukte kritisch hinterfragen (auf das Bild klicken: Youtube)

Durch die Arbeit mit den Texten und Quellen zum Thema Umwelt sollen die Schüler/innen

  • sinnvolle Fragestellungen zur Umweltgeschichte entwickeln können.
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  • den Begriff „Umweltgeschichte“ definieren und sicher verwenden können.
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  • Bild- und Textquellen zur Umweltgeschichte kritisch analysieren lernen.
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  • Medienprodukte kritisch im Hinblick auf die Thematisierung von Umwelt hinterfragen können.
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  • in der Lage sein, sich aufgrund der Beschäftigung mit Umweltproblemen in der Vergangenheit reflexiv mit Lösungsmöglichkeiten in Gegenwart und Zukunft auseinanderzusetzen.
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  • Sach- und Werturteile zu umweltpolitischen Fragen entwickeln.
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  • ihr Engagement in den Umweltschutz aktiv einbringen und sich Kenntnis verschaffen, an welche Institutionen sie sich wenden müssen, um weiterführende Informationenzu erhalten.
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  • Manifestationen zur Umweltpolitik eigenständig und effizient gestalten können und um legale Verbreitungsmöglichkeiten Bescheid wissen.
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4. Lehrplanbezug

Abb. 88 Auseinandersetzung mit der Natur-Brandrodung

In allen Lehrplänen ist das Unterrichtsprinzip Umwelterziehung verankert, das mittels der Umweltgeschichte hervorragend umgesetzt werden kann.

  • (A)HS Unterstufe: Grundbereiche und Dimensionen

– Im Bereich des historischen Lernens stellen u. a. Neue Kulturgeschichte/Geschlechtergeschichte, Umweltgeschichte oder Globalgeschichte gleichberechtigte Zugänge dar.

– Natur und Technik: kritische Bewertung des naturwissenschaftlich-technischen Fortschritts unter Berücksichtigung des ökologischen Wandels.

  • (A)HS: 2. Klasse

Die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur und ihre Auswirkungen auf die Organisation des menschlichen Zusammenlebens.

  • (A)HS: 4. Klasse

– Grundbereiche und Dimensionen: Umweltgeschichte

– Gegenwartsbezug: Einsichten in die Pluralität von politischen Leitbildern

– Neue soziale Bewegungen (Umweltbewegungen…)

  • 7. Klasse AHS: GSK/PB

– Beiträge zu den Bildungsbereichen: Natur und Technik

– Neue soziale Bewegungen (Umweltbewegungen…)

– Emanzipatorische, soziale Bewegungen und Gegenströmungen nach 1945

  • HTL: Allgemeines Bildungsziel

Nach Abschluss einer Höheren Technischen Lehranstalt besitzen die Studierenden im Besonderen Einsicht in die politischen Prozesse auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene und sehen sich verantwortlich für die Erhaltung der Demokratie, für das friedliche Zusammenleben von Bevölkerungsgruppen und Nationen, für die Förderung von Benachteiligten in der Gesellschaft sowie für den Schutz der Umwelt und des ökologischen Gleichgewichts.

  • HTL: III. Jahrgang

– Umweltgeschichte; Kolonialisierung und Entkolonialisierung; Grund- und Menschenrechte im historischen Kontext, Einbindung in die Rechtssysteme, Durchsetzungsmöglichkeiten und Verletzungen.

– Aspekte der Globalisierung und Internationalisierung; Wechselwirkungen und Probleme von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern; Entwicklungstheorien und –strategien; Entwicklungspolitik und Zusammenarbeit.

  • HTL: IV. Jahrgang

Alltagsgeschichte nach 1945; Dorf- und Stadterneuerung; Lebensraum Europa im Überblick

  • HAK: Bildungs- und Lehraufgaben

Die Absolventinnen und Absolventen einer Handelsakademie sollen grundlegend dazu befähigt sein, – für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten und sich für die Bewahrung einer menschengerechten Umwelt und Zukunft für alle einzusetzen.

– für den Umweltschutz und den Konsumentenschutz einzutreten.

  • HAK: V. Jahrgang Bildungs- und Lehraufgaben (Internationale Wirtschafts- und Kulturräume)

Die Schüler/innen sollen Themen der Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur analysieren und verstehen, um politisch, sozial und ökologisch verantwortungsbewusst in Beruf und Alltag, in der Öffentlichkeit und im Privatleben handeln zu können.

  • HAK: V. Jahrgang (Internationale Wirtschafts- und Kulturräume)

Nachhaltigkeit, globale Verantwortung, Konsumentscheidungen und ihre Auswirkungen. Konfliktbewältigung, Partizipation in der Zivilgesellschaft.

  • HLW (Geschichte und Kultur)

Gesellschaft, Wirtschaft (Sozialpartnerschaft; Wirtschaftswachstum und Ökologie, Wissenschaft, Technik).

dgpb © Irene Ecker, Klaus Edel, Alfred Germ, Bettina Paireder, Hanna-Maria Suschnig