Der Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen 1968 in Prag


Klaus Edel, Sylvia Gettinger, Karin Ruprecht

1. Konzeptive Überlegungen zur Gestaltung didaktischer Szenarien

Unterricht ist ein komplexes soziales Geschehen, das stets mit konkreten Personen stattfindet. Im Sinne der prozessorientierten Didaktik (Ecker 2004) sind Kommunikation, didaktische Planung, thematische Abgrenzbarkeit sowie hinreichende zeitliche Ausdehnung wesentliche Merkmale. Vorrangig sollen Bildung bzw. Wissen aber auch Kompetenzen vermittelt werden.

Eine Aufgabe für Lehrer/innen des Faches Geschichte/ Sozialkunde und Politische Bildung besteht darin, für die Politische Bildung Lernumgebungen zu schaffen, die es den Schülerinnen/Schülern ermöglichen, durch die Arbeit an konkreten Themen zu erkennen, dass Politik auch immer mit ihnen zu tun hat.

Die ausgewählten Unterrichtsvorschläge knüpfen an die den Schülerinnen/Schülern vertraute Lebenswelt der digitalen und audiovisuellen Medien sowie Print-Medien an und sollen in der Auseinandersetzung mit dem Thema „Der Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen in Prag 1968“ den Erwerb und die Vertiefung von historischen und politisch bildenden Kompetenzen (Edel 2008) fördern. Ebenso haben die Beispiele das Ziel, ein reflektiertes und (selbst)reflexives politisches Bewusstsein bei den Schülerinnen/Schülern zu entwickeln. Dieser Vorgang geht über die bloße Aneinanderreihung von Daten und Fakten, aber auch simple historische Fragestellungen hinaus und würde darauf reduziert auch zu kurz greifen. Daher sollen über die Beschreibung des historischen Geschehens hinaus, Erklärungsansätze sowie Handlungsanleitungen erarbeitet werden.

Inhaltlich beziehen sich die Vorschläge auf die fachwissenschaftlichen Artikel sowie das Quellenangebot des Dossiers.

 

2. Implementierung des Kompetenzmodells

Abb. 102 Kompetenz

In einer Zeit, in der einerseits die offenen Grenzen innerhalb großer Teile der EU etwas Selbstverständliches, andererseits Krieg und Gewalt in den Medien allgegenwärtig sind, scheinen die Themen „Kalter Krieg“, „Eiserner Vorhang“ oder die Ereignisse von 1968 in Prag in eine unwirkliche Ferne entrückt. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Teil der gemeinsamen Geschichte Österreichs und seiner inzwischen aufgeteilten Nachbarstaaten Tschechien und Slowakei. Die Auseinandersetzung mit den in diesem Dossier enthaltenen unterschiedlichen Medien ermöglichen es den Schülerinnen/ Schülern einerseits ihre Medienkompetenz, andererseits ihre historischen und politisch bildenden Kompetenzen zu entwickeln.

  • Die Ereignisse 2014/2015 in der Ukraine, die bereits in der Annexion der Krim durch Russland gipfelten sowie die Kampfhandlungen in der Ostukraine, wo die Großmacht ebenfalls logistische, militärische und propagandistische Unterstützung für die Separatisten leistet, bieten einen aktuellen Bezug.
  • Durch die Arbeit mit den verschiedenen Quellen wird die historische Methodenkompetenz der Schüler/innen gefördert, indem sie Teile der Vergangenheit rekonstruieren sowie eine historische Narration bilden und in einem weiteren Schritt aber auch durch die Fragekompetenz in der Lage sind, die Narration eines Wochenschaubeitrages zu dekonstruieren.
  • Durch den Vergleich der angebotenen Quellen, der eventuell noch durch Internet- oder zusätzliche Literaturrecherche in der Bibliothek ergänzt werden kann, gelingt es den Schülerinnen/Schülern, sich im Sinne der politischen Urteilskompetenz eine eigene Meinung zu bilden.
  • Indem sie lernen, Begriffe und Kategorien anzuwenden, stärken sie ihre politische Sachkompetenz.
  • Mithilfe der in den Unterrichtsvorschlägen angebotenen unterschiedlichen Herangehensweisen an die im wissenschaftlichen Teil des Dossiers angesprochenen Themen wird die historische und politikbezogene Methodenkompetenz gefördert.
  • Die Arbeit mit den Wochenschau- sowie „Zeit im Bild“- Beiträgen bzw. den Hörfunkberichten, -reportagen und deren Analysen oder die Erstellung eines eigenen Berichts fördern die Entwicklung der Medienkompetenz.
  • Die Arbeit mit den Ereignissen von 1968 und der daran anschließenden Phase der Normalisierung sowie der in Tschechien und der Slowakei erst relativ spät einsetzenden Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bietet den Schülerinnen/Schülern aber auch die Chance, über die Bewältigung brisanter Themen in der Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert zu reflektieren und damit die politische Urteilskompetenz zu stärken.

 

3. Lernziele

  • Gründe und Ursachen für den Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen kennen
  •  

  • mit politischen Manifestationen zum Thema „Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen“ kritisch umgehen können
  •  

  • aufzeigen, wie das Thema „Prager Frühling“ instrumentalisiert werden kann
  •  

  • Einsicht in die Ideenkonzepte der wirtschaftlichen und politischen Programme des „Prager Frühlings“ gewinnen
  •  

  • audiovisuelle bzw. Print-Quellen interpretieren, Methoden der Manipulation erfassen können
  •  

  • verstehen lernen, warum die Aufarbeitung der Vergangenheit ein so schwieriges Thema ist
  •  

  • die eigene Position zum Thema Geschichtsbewältigung reflektieren können

 

4. Lehrplanbezug

Grundsatzerlass zur Politischen Bildung für alle Schultypen und Unterrichtsfächer Sekundarstufe I und II.

  • (A)HS: 4. Klasse

– Der Zweite Weltkrieg und die internationale Politik nach 1945

– Medien und deren Auswirkung auf das Politische; Manifestationen des Politischen (mediale Berichterstattung, politische Inszenierungen, Wahlwerbung).

  • AHS: 7. Klasse

– das bipolare Weltsystem 1945–1990, sein Zusammenbruch und die Transformation des europäischen Systems (Folgen des Zweiten Weltkrieges, z.B. Vertreibungen; Ost-West-Konflikt; Bündnissysteme und internationale Organisationen; neuer Imperialismus; Zerfall der Sowjetunion; Entwicklung neuer Demokratien)

– emanzipatorische, soziale Bewegungen und Gegenströmungen nach 1945 (Frauen-, Jugend- und Studentenbewegungen; Demokratisierungswellen; Friedens- und Anti-Atom-Bewegung; Neokonservativismus, Neoliberalismus)

– politisches Alltagsverständnis – die verschiedenen Dimensionen und Ebenen von Politik, Formen und Grundwert der Demokratie und der Menschenrechte, Motivationen und Möglichkeiten politischer Beteiligungs-, Entscheidungs- und Konfliktlösungsprozesse

  • HTL: Bildungs- und Lehraufgabe

Kompetenzbereich „Geschichte“:

Die Schülerinnen und Schüler kennen

– die Grundlagen und Ziele der historischen Arbeit, können historische Methoden anwenden sowie historische Ereignisse begründet Epochen zuordnen und wissen Bescheid über unterschiedliche zeitliche Verlaufsformen (Orientierung in der Zeit)

– die Bedeutung historischer politischer Entwicklungen und Konflikte für die Gegenwart und ihre eigene Identität (Politische Geschichte)

Kompetenzbereich „Politische Bildung“

Die Schülerinnen und Schüler können

– die Geschichte der wichtigsten politischen Akteurinnen und Akteure sowie Bewegungen charakterisieren sowie zu deren aktuellen Zielen und Umsetzungen begründet Stellung nehmen (Politische Akteurinnen/Akteure)

– den Beitrag der Medien zur Politikgestaltung einschätzen sowie politikrelevante Medienerzeugnisse auf ihre Intentionen hin kritisch untersuchen (Medien und Öffentlichkeit).

  • HTL: II . Jahrgang

Kompetenzbereich „Politische Bildung“

– Medien und ihre Auswirkungen auf die Politik; Analyse von Medienerzeugnissen und Erkennen der zugrundeliegenden Intentionen; Nutzung medialer Möglichkeiten der Partizipation.

  • HTL: III. Jahrgang

Kompetenzbereich „Politische Bildung“

– Grund- und Menschenrechte im historischen Kontext.

– Einbindung in die Rechtssysteme; Durchsetzungsmöglichkeiten und Verletzungen, Rassismus, Antisemitismus, Feindbilder.

  • HTL: IV. Jahrgang

Kompetenzbereich „Geschichte“:

– Politische Konflikte; bipolares Weltsystem; Transformationen und neue Strukturen der Weltpolitik.

  • HAK: II. Jahrgang, Kompetenzmodul 3

Bildungs- und Lehraufgabe

Die Schülerinnen und Schüler können

– sich kritisch mit politischen Programmen auseinandersetzen und deren Auswirkungen auf Individuen und die Gesellschaft einschätzen,

– unterschiedliche Wertvorstellungen kritisch beurteilen,

– politische Herausforderungen analysieren.

– die historische Bedeutung der Demokratie reflektieren. Lehrstoff:

– politische Parteien und ihre ideologischen Grundsätze, politische Willensbildung, Grund- und Freiheitsrechte, Bürgerrechte, Wertevorstellungen und Wertekonflikte, politische Differenzierung

– und Meinungsbildung, aktuelle politische Herausforderungen

  • HAK: III. Jahrgang, Kompetenzmodul 5

Bildungs- und Lehraufgabe

Die Schülerinnen und Schüler können

– historische Quellen zur kritischen Rekonstruktion und Dekonstruktion von Geschichte einsetzen,

– den Einfluss historischer Entwicklungen auf Individuum, Gesellschaft und den Staat beschreiben,

– unterschiedliche historische Epochen nennen und ihre wesentlichen Merkmale identifizieren,

– wesentliche historische Veränderungsprozesse beschreiben, deren Ursachen analysieren und erklären,

– grundlegende Formen der Staatenbildung nennen, diese vergleichen und diskutieren,

– unterschiedliche Herrschaftsformen und Führungsstrukturen beschreiben und ihre Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft erörtern.

Lehrstoff:

– Geschichte als Entwicklungsprozess: historische Prozesse und deren Einfluss auf individuelle Lebenssituationen und Identitäten innerhalb der Gesellschaft

  • HAK: IV. Jahrgang, Kompetenzmodul 7

Bildungs- und Lehraufgabe

Die Schülerinnen und Schüler können

– Entstehungsbedingungen für autoritäre Systeme analysieren,

– Phänomene politischer Instrumentalisierung und deren Gefahren einschätzen. Lehrstoff

– Totalitäre und autoritäre Systeme: Faschismus, Nationalismus, Austrofaschismus, Realer Sozialismus, Militärjuntas

– Eskalation politischer Auseinandersetzungen: Krieg, der Mensch im Krieg

– Verantwortung im Umgang mit Geschichte: Formen des Widerstands, Versöhnung und Restitution

  • HAK: IV. Jahrgang, Kompetenzmodul 8

Bildungs- und Lehraufgabe

Die Schülerinnen und Schüler können

– unterschiedliche historische und gegenwärtige weltpolitische Einflusssphären benennen, deren Wirkungen kritisch analysieren sowie deren Bedeutung für regionale Konflikte und Entwicklungen einschätzen,

– die Herausbildung einer bipolaren Welt und deren Mechanismen als ideologische und machtpolitische Konfrontation bewerten sowie deren regionale Ausformungen analysieren.

– unterschiedliche politische Transformationsprozesse im historischen Aufriss darstellen und Faktoren für Erfolg und Scheitern anhand ausgewählter Beispiele identifizieren.

Lehrstoff:

– Bipolare Welt: Supermächte. Kalter Krieg. Wettrüsten und Abrüstung

– Lebenswelten West und Ost, Nord und Süd

– Politische Transformationen in Europa, Südamerika, China und der arabischen Welt